
Methodentraining: Urteilskompetenz


Einleitung
Heute stärkt ihr eure Fähigkeit überzeugende Urteile zu fällen. Warum ist das wichtig? Nun, im Alltag und später im Berufsleben werdet ihr immer wieder vor Situationen stehen, in denen ihr euch eine Meinung bilden, Entscheidungen treffen und diese überzeugend vertreten müsst. Ob es darum geht, ein Projekt im Team zu präsentieren, eine wichtige Entscheidung zu treffen oder eure Position in einer Diskussion zu verteidigen – eine fundierte Urteilskraft ist Gold wert.
In diesem Arbeitsblatt werden wir uns schrittweise mit den Bausteinen eines starken Urteils auseinandersetzen. Am Ende im "Endgame" werdet ihr in der Lage sein, ein eigenes, gut begründetes Urteil zu verfassen.
Fragestellung
16-Jährige können bereits vieles entscheiden, aber nicht wählen – ein Paradoxon unserer Demokratie. Soll das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden?
📌 Bevor es losgeht, solltest du als erstes die Fragestellung notieren und überprüfen, ob du alle relevanten Begriffe kennst. Frage ggf. nach.
📝 Notiere hier die Fragestellung.

Level 1: Auswahl geeigneter Beurteilungskategorien
Um ein Thema fundiert zu beurteilen, nutzen wir Kategorien. Sie sind wie verschiedene Brillen, durch die wir eine Frage betrachten können, um unsere Argumente zu ordnen. Beispiele sind Gerechtigkeit (Wer profitiert? Wer verliert?), Nachhaltigkeit (Langzeitfolgen?), Legitimität (Ist es erlaubt? Demokratisch?), Effizienz (Funktioniert es?). Es existieren aber noch viele weitere nützliche Kategorien.
Warum sind Kategorien wichtig? Sie geben unserem Urteil Struktur, machen es durchdachter und begründeter statt spontan. Ohne Kategorien verlassen wir uns leicht auf persönliche Gefühle. Außerdem helfen uns Kategorien dabei, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Manchmal merken wir dann zum Beispiel: Was gut für die Wirtschaft ist, ist schlecht für die Umwelt. Diese Spannungen werden durch die Kategorien sichtbar und zwingen uns, Prioritäten für unser Urteil zu setzen.
👉 Ein Beispiel:
Stell dir vor, es geht um die Frage: „Soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos sein?“
Du könntest nun überlegen:
- Gerechtigkeit: Ist es gerecht, wenn Menschen mit weniger Geld kostenlos fahren können?
- Nachhaltigkeit: Würde das mehr Leute zum Umsteigen bewegen und der Umwelt helfen?
- Effizienz: Wäre das überhaupt bezahlbar und umsetzbar für den Staat?
Durch solche Kategorien merkst du schnell, dass es nicht nur ein Argument gibt – sondern viele verschiedene Perspektiven, die du bedenken solltest, bevor du dir eine Meinung bildest. Nun schaust du dir das in Bezug auf unser Thema genauer an.
📌 Lies den Infotext zum Thema und erfülle die folgenden Aufgaben.
Das Wahlalter auf dem Prüfstand
Die Diskussion um die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre gewinnt in Deutschland an Fahrt, besonders im Licht der Europawahlen 2024, bei denen 16- und 17-Jährige erstmals wählen durften. Dieser Schritt könnte die politische Landschaft verändern, indem er jüngere Stimmen einbezieht, die bisher ausgeschlossen waren. Laut Tagesschau leben etwa 785.000 16-Jährige in Deutschland, die nun erstmals ihre Stimme bei der Europawahl abgeben konnten (Tagesschau).
Einige Beobachter argumentieren, dass die heutige Jugend durch moderne Kommunikationsmittel umfassend informiert ist und daher ein legitimes Anliegen hat, in Entscheidungen über ihre Zukunft einbezogen zu werden. Es wird betont, dass Krisen wie die Coronapandemie und der Ukrainekrieg junge Menschen besonders betreffen, was den Ruf nach mehr politischer Mitsprache verstärkt (Tagesschau). Studien deuten darauf hin, dass eine frühere Wahlberechtigung möglicherweise einen positiven Einfluss auf die langfristige Wahlbeteiligung haben könnte (Tagesschau).
Andere Stimmen äußern jedoch Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit junger Menschen, komplexe politische Sachverhalte vollständig zu durchdringen und abgewogene Entscheidungen zu treffen. Sie verweisen darauf, dass das Erreichen der Volljährigkeit oft mit der vollen Geschäftsfähigkeit einhergeht und sehen hier eine natürliche Verbindung zum Wahlrecht (Tagesschau).
Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist die Notwendigkeit einer Änderung des Grundgesetzes, um das Wahlalter zu senken. Dies erfordert breite politische Zustimmung, die derzeit nicht gesichert scheint (Tagesschau).
Die Erfahrungen aus anderen Ländern, wie beispielsweise Österreich, wo 16-Jährige bereits seit einiger Zeit wählen dürfen, zeigen gemischte Ergebnisse hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung. Gleichzeitig wird diskutiert, ob die Möglichkeit zur Wahlteilnahme das Interesse junger Menschen an politischen Themen und ihre Bereitschaft zur aktiven Teilnahme fördern könnte (Tagesschau).
Insgesamt zeigt die Debatte um die Absenkung des Wahlalters, dass es sich um eine vielschichtige Frage handelt, bei der unterschiedliche Überlegungen und mögliche Konsequenzen abgewogen werden müssen. Es geht dabei nicht nur um das Alter an sich, sondern auch um die Frage, wie junge Menschen bestmöglich auf ihre Rolle als mündige Bürger vorbereitet werden können.
📝Lies dir die Definitionen der Kategorien durch und überlege, welche Kategorien für die Fragestellung relevant sein könnten.

Level 2: Der Blick aus verschiedenen Perspektiven
Im zweiten Level gehen wir noch mehr in die Tiefe. Ein überzeugendes Urteil berücksichtigt verschiedene Perspektiven und setzt sich kritisch mit Gegenargumenten auseinander. Hier lernt ihr, euch in andere Standpunkte hineinzuversetzen, mögliche Gegenargumente zu erkennen und diese durch stichhaltige Argumente zu entkräften oder zu relativieren. Das zeigt, dass ihr das Thema umfassend durchdacht habt.

Anna Schmidt, Jugendbeauftragte

Max Bauer, Sozialwissenschaftler
👥 Partnerarbeit
Jede Person vertritt eine der zwei Rollen. Person 1 trägt nun den Standpunkt der Rolle vor. Person 2 fasst die Argumente der Person 1 zusammen und entkräftet sie. Nutze zum Entkräften Argumente und Informationen aus dem ersten Level.
Anschließend führt ihr die Aufgabe andersherum durch.
💡 Bonusaufgabe

Level 3: Betrachtung von Ebenen
Im dritten Level erweitern wir unseren Blickwinkel noch einmal. Viele Entscheidungen und Urteile haben Auswirkungen auf verschiedene Ebenen – z. B. auf die Politik, die Gesellschaft, die Wirtschaft und manchmal sogar die Umwelt. Hier lernt ihr, diese verschiedenen Ebenen zu berücksichtigen und in eure Argumentation einzubeziehen, um die Tragweite eures Urteils zu verdeutlichen und seine Relevanz zu unterstreichen.
Die Zukunft der Demokratie: Wahlalter 16
Stelle dir eine Welt vor, in der die Stimmen der Jugend die politische Landschaft neu gestalten. Es ist das Jahr 2035. Das Wahlalter wurde auf 16 Jahre gesenkt, und die Straßen sind erfüllt von der Energie und Leidenschaft junger Menschen, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen möchten. Tatsächlich hat diese historische Entscheidung eine Welle der politischen Beteiligung ausgelöst, die nun die Gesellschaft durchdringt. Jugendliche organisieren sich in Gruppen, führen Kampagnen und bringen frischen Wind in den politischen Diskurs, eine Tatsache, die nicht mehr zu leugnen ist.
Doch was bedeutet dies für die Älteren und das bestehende Machtgefüge? Prognosen deuten darauf hin, dass etablierte Parteien ihre Strategien überdenken müssen, um die Anliegen der jungen Wähler zu integrieren. Neue politische Bewegungen könnten entstehen, die mit innovativen Ideen und einem unverbrauchten Blick auf die Welt die traditionellen Parteien herausfordern. Dies ist jedoch nur eine Vermutung, denn die reale Entwicklung bleibt abzuwarten.
Auf gesellschaftlicher Ebene erleben wir eine verstärkte Fragmentierung des Diskurses. Jugendliche fordern lautstark Veränderungen und stoßen auf den Widerstand konservativer Kräfte, die um Stabilität besorgt sind. Die Zukunft der Demokratie hängt in der Balance, und die nächste Wahl könnte die Richtung bestimmen, in die sich die Gesellschaft bewegt.
👥 Partnerarbeit
Das ist ein Szenario einer KI. Mache dir nun deinem Partner oder deiner Partnerin aus der letzten Aufgabe, Gedanken zu den Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen. Haltet ihr die Annahmen der KI für realistisch?
Überlegt, inwiefern die möglichen Auswirkungen eure Argumentation stützen.

Level 4: Formulierung von Teilurteilen
Die letzte Bewährungsprobe vor dem Endgame. Nun bringst du deine gesammelten Argumente in einzelnen Teilurteilen zusammen.
Hierfür formulierst du zu jeder der gewählten Kategorien ein Teilurteil, bestehend aus einer Behauptung, einer Begründung und einem Beleg. Beziehe in deine Teilurteile die Perspektiven und Ebenen ein, mit denen du dich zuvor auseinandergesetzt hast.
Anschließend gewichtest du die Teilurteile. Lege dabei fest, welche nach deiner persönlichen Einschätzung besonders wichtig sind und welche weniger wichtig sind. Halte dies mit den Wörter hohe, mittlere oder niedrige Relevanz fest.
Beispiel:
Partizipation
- These: Ein Wahlalter ab 16 Jahren erhöht die politische Partizipation von Jugendlichen.
- Begründung: Studien zeigen, dass Jugendliche bereits ein ausgeprägtes Interesse an Politik haben (Deutschlandfunk).
- Beleg: In Ländern und Bundesländern, in denen das Wahlalter bereits gesenkt wurde, zeigt sich eine höhere Wahlbeteiligung unter jungen Menschen (BR, ZDF).
- Teilurteil: Senkung des Wahlalters stärkt die Partizipation nachhaltig.
📝 Fülle in Einzelarbeit die Tabelle aus.
✅ Beispiel

"Endgame": Das Gesamturteil
Bevor du dein Gesamturteil formulierst, wirf noch einmal einen Blick auf deine bisherigen Teilurteile. Wahrscheinlich hast du bei manchen Aspekten zugestimmt, bei anderen eher abgelehnt oder bist dir unsicher. Nun geht es darum, diese Einschätzungen zu bündeln und ein stimmiges Fazit zu ziehen, indem du eine Gewichtung vornimmst. Überlege dir, welche Argumente oder Kategorien dir besonders wichtig sind. Auf dieser Grundlage entscheidest du dich für ein Urteil und erklärst nachvollziehbar, warum du zu genau diesem Ergebnis kommst.
🔹 Ordne deine Teilurteile:
Kennzeichne jeweils, ob du eher zustimmst oder ablehnst.
🔹 Finde deine Schwerpunkte:
Markiere, welche Argumente oder Werte für dich am meisten zählen, und gewichte sie untereinander.
🔹 Formuliere dein Gesamturteil:
Schreibe eine klare Schlussfolgerung und begründe sie mit deinen wichtigsten Argumenten.

Check-out: Überprüfe dein Urteil
Überprüfe nun dein Urteil mit Hilfe der Checkliste.
✅1. Verständliche Gewichtung und Begründung
☐ Habe ich erklärt, warum manche Kategorien für mich wichtiger sind als andere?
☐ Wird meine Entscheidung nachvollziehbar und überzeugend begründet?
✅2. Saubere Argumentation
☐ Sind meine Aussagen sachlich und inhaltlich korrekt?
☐ Passen sie zur Fragestellung und sind widerspruchsfrei?
☐ Habe ich den Aufbau „Behauptung – Begründung – Beleg/Beispiel“ eingehalten?
✅3. Perspektivenvielfalt und Reflexion
☐ Habe ich unterschiedliche Sichtweisen berücksichtigt?
☐ Bin ich auf mögliche Gegenargumente eingegangen?
✅4. Berücksichtigung verschiedener Ebenen
☐ Habe ich die Auswirkungen auf politische, gesellschaftliche oder andere Ebenen mitgedacht und in meine Argumentation eingebaut?
✅5. Sprache und Struktur
☐ Ist mein Urteil klar, verständlich und gut lesbar formuliert?
☐ Habe ich ein schlüssiges und deutliches Fazit gezogen?
✅ Vorlage Analyse: Pro-Seite
Analyse zur Frage: „Soll das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden?“
1. Klärung der Aufgabenstellung
Die Fragestellung betrifft die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre und bezieht sich auf die politische Partizipation Jugendlicher in Deutschland. Zentrale Begriffe sind Demokratieverständnis, Partizipation, Generationengerechtigkeit und Chancengleichheit. Gesellschaftlich ist die Frage im Kontext der Förderung der politischen Teilhabe und der Anerkennung der Mündigkeit von Jugendlichen einzuordnen. Historisch betrachtet gibt es Beispiele in anderen Ländern und auf kommunaler Ebene in Deutschland, wo das Wahlalter gesenkt wurde.
2. Wichtige Vorüberlegungen
a) Auswahl geeigneter Beurteilungskategorien
Generationengerechtigkeit: Die Senkung des Wahlalters könnte die politische Mitbestimmung der jüngeren Generation stärken und ihre Interessen besser in politischen Entscheidungen repräsentieren.
Partizipation: Die Möglichkeit für 16-Jährige zu wählen fördert die politische Bildung und das Engagement junger Menschen und könnte zu einer höheren Wahlbeteiligung führen.
Chancengleichheit: Jugendliche sollten die gleichen Chancen zur politischen Teilhabe haben wie Erwachsene, insbesondere da sie von politischen Entscheidungen stark betroffen sind.
b) Analyse von Spannungsverhältnissen
Die Interessen von Jugendlichen stehen im Spannungsfeld mit der Skepsis einiger Erwachsener bezüglich der Reife der Jugendlichen. Es gibt Zielkonflikte zwischen dem Wunsch nach mehr Mitbestimmung der jungen Generation und der traditionellen Auffassung von Volljährigkeit als Voraussetzung für das Wahlrecht.
c) Betrachtung verschiedener Perspektiven
Individuelle Sicht: Jugendliche, die mit 16 Jahren bereits verantwortungsvolle Entscheidungen treffen, könnten von der Möglichkeit, wählen zu dürfen, profitieren.
Gesellschaftliche/politische Sicht: Parteien wie die SPD, Grünen und FDP unterstützen die Senkung des Wahlalters und sehen darin eine Chance zur Förderung der politischen Bildung.
Politische/systemische Sicht: Der Staat hat ein Interesse an einer aktiven und politisch gebildeten Bevölkerung, weshalb eine frühere Einbindung in den demokratischen Prozess sinnvoll erscheint.
d) Berücksichtigung relevanter Ebenen
Politik: Die Senkung des Wahlalters könnte die politische Agenda verändern, indem sie Themen wie Umwelt- und Bildungspolitik stärker in den Vordergrund rückt.
Gesellschaft: Eine aktive Einbindung von Jugendlichen könnte zu einer stärkeren gesellschaftlichen Integration führen und den Zusammenhalt fördern.
3. Formulierung von Teilurteilen
Generationengerechtigkeit
- These: Die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre fördert Generationengerechtigkeit.
- Begründung: Junge Menschen sind von politischen Entscheidungen langfristig betroffen und sollten deshalb frühzeitig mitbestimmen können.
- Beleg: In vielen Bundesländern dürfen 16-Jährige bereits auf kommunaler Ebene wählen, was zeigt, dass ihre Beteiligung möglich und sinnvoll ist.
- Teilurteil: Aus Sicht der Generationengerechtigkeit ist die Senkung des Wahlalters positiv zu bewerten.
Partizipation
- These: Ein Wahlalter von 16 Jahren erhöht die Partizipation Jugendlicher.
- Begründung: Jugendliche zeigen oft ein hohes Interesse an politischen Themen und könnten durch das Wahlrecht motiviert werden, sich aktiv einzubringen.
- Beleg: Studien zeigen, dass politische Bildung und Engagement zunehmen, wenn junge Menschen frühzeitig ein Wahlrecht erhalten.
- Teilurteil: Die Senkung des Wahlalters würde die politische Partizipation junger Menschen deutlich stärken.
Chancengleichheit
- These: 16-Jährige sollten gleiche Chancen zur politischen Teilhabe haben wie Erwachsene.
- Begründung: Jugendliche sind bereits in vielen Bereichen, wie Bildung und Umwelt, direkt von politischen Entscheidungen betroffen und sollten daher auch mitentscheiden dürfen.
- Beleg: Länder wie Österreich haben das Wahlalter erfolgreich gesenkt und zeigen positive Effekte auf die politische Einbindung Jugendlicher.
- Teilurteil: Die Senkung des Wahlalters fördert die Chancengleichheit zwischen Jugendlichen und Erwachsenen.
4. Formulierung eines Gesamturteils
Vergleicht man die Teilurteile, ist das Kriterium der Partizipation besonders gewichtig, da es direkt die Qualität und Tiefe der demokratischen Beteiligung beeinflusst. Insgesamt überwiegen die positiven Aspekte der Senkung des Wahlalters, da sie die politische Bildung, Partizipation und Generationengerechtigkeit stärken. Eine reflektierte Abwägung zeigt, dass die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre eine sinnvolle und zeitgemäße Maßnahme darstellt, um Jugendliche stärker in politische Prozesse einzubinden und ihre Interessen besser zu vertreten.
✅ Vorlage Analyse: Contra-Seite
Analyse zur Frage: „Soll das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt werden?“
1. Klärung der Aufgabenstellung
Die Fragestellung bezieht sich auf die Senkung des Wahlalters in Deutschland und die politische Partizipation Jugendlicher. Zentrale Begriffe sind Demokratieverständnis, Partizipation, Generationengerechtigkeit und Chancengleichheit. Gesellschaftlich ist die Frage im Kontext der politischen Teilhabe und Anerkennung der Mündigkeit von Jugendlichen relevant. Historisch gibt es Beispiele in anderen Ländern und auf kommunaler Ebene in Deutschland, wo das Wahlalter gesenkt wurde.
2. Wichtige Vorüberlegungen
a) Auswahl geeigneter Beurteilungskategorien
Legalität: Eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre erfordert eine Grundgesetzänderung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Aktuell ist das Wahlrecht an die Volljährigkeit gebunden.
Politische Reife: Kritiker bezweifeln, dass Jugendliche unter 18 Jahren ausreichend politisch reif sind, um fundierte Entscheidungen zu treffen, da ihre kognitive Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
Effektivität: Die Senkung des Wahlalters könnte die politische Beteiligung und das Interesse Jugendlicher erhöhen, wobei unklar ist, ob dies zu einer qualitativ hochwertigen Partizipation führt.
b) Analyse von Spannungsverhältnissen
Die Interessen von Jugendlichen stehen im Spannungsfeld mit der Skepsis Erwachsener gegenüber ihrer Reife. Zielkonflikte bestehen zwischen dem Wunsch nach mehr Mitbestimmung der jungen Generation und der traditionellen Auffassung von Volljährigkeit als Voraussetzung für das Wahlrecht.
c) Betrachtung verschiedener Perspektiven
Individuelle Sicht: Jugendliche haben Interesse an ihrer Zukunft, möchten mitbestimmen, während Kritiker ihre Reife anzweifeln.
Gesellschaftliche/politische Sicht: Parteien wie die Grünen und SPD unterstützen die Senkung, während CDU und FDP sie ablehnen, da sie Volljährigkeit als Voraussetzung sehen.
Politische/systemische Sicht: Der Staat hat Interesse an einer aktiven, politisch gebildeten Bevölkerung, wobei unklar ist, ob frühe Einbindung zu fundierter politischer Bildung führt.
d) Berücksichtigung relevanter Ebenen
Politik: Das Wahlalter könnte politische Strukturen beeinflussen und Themen wie Bildungspolitik stärker in den Vordergrund rücken.
Gesellschaft: Eine Senkung könnte zu stärkerer gesellschaftlicher Integration führen, aber auch zu einer Generationenspaltung bei Zweifel an der Reife der Jugendlichen.
3. Formulierung von Teilurteilen
Legalität
- These: Eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist rechtlich komplex und erfordert eine Grundgesetzänderung.
- Begründung: Das Wahlrecht ist aktuell an die Volljährigkeit gebunden, eine Änderung erfordert erhebliche Anpassungen.
- Beleg: Artikel 38 Absatz 2 des Grundgesetzes müsste mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden.
- Teilurteil: Rechtlich ist die Senkung des Wahlalters problematisch und schwer durchsetzbar.
Politische Reife
- These: Jugendliche unter 18 Jahren sind oft nicht ausreichend politisch reif.
- Begründung: Ihre kognitive Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, was ihre politischen Entscheidungen beeinträchtigen kann.
- Beleg: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der präfrontale Kortex erst mit Mitte 20 vollständig ausgereift ist.
- Teilurteil: Aus Sicht der politischen Reife ist die Senkung des Wahlalters kritisch zu betrachten.
Effektivität
- These: Eine Senkung könnte die politische Beteiligung Jugendlicher fördern, aber nicht zu qualitativ hochwertigen Entscheidungen führen.
- Begründung: Junge Menschen könnten mehr Interesse zeigen, aber die Qualität ihrer Partizipation könnte gering sein.
- Beleg: Psychologische Studien zeigen, dass 16-Jährige in der Lage sind, gute Wahlentscheidungen zu treffen, aber weniger informiert sind.
- Teilurteil: Die Senkung des Wahlalters könnte die Beteiligung erhöhen, aber nicht die Qualität der Entscheidungen verbessern.
4. Formulierung eines Gesamturteils
Vergleicht man die Teilurteile, ist das Kriterium der politischen Reife besonders gewichtig, da es die Qualität der demokratischen Beteiligung beeinflusst. Insgesamt überwiegen die negativen Aspekte einer Senkung des Wahlalters, da rechtliche Hürden, mangelnde politische Reife und die Frage der Effektivität nicht geklärt sind. Eine reflektierte Abwägung zeigt, dass die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre umstritten ist und mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringen könnte.
Zielsetzung:
Die Lernenden entwickeln ihre Fähigkeit, fundierte Urteile zu fällen und diese überzeugend zu vertreten. Sie setzen sich mit verschiedenen Aspekten einer komplexen Frage auseinander und lernen, ihre Meinungen begründet zu äußern.
Inhalte und Methoden:
Das Arbeitsblatt führt die Lernenden schrittweise durch den Prozess der Urteilsbildung. Anhand einer kontroversen Frage werden Beurteilungskategorien eingeführt, Perspektiven analysiert und verschiedene Ebenen betrachtet. Die Lernenden formulieren Teilurteile und entwickeln ein begründetes Gesamturteil. Partner- und Gruppenarbeiten sowie eine Bonusaufgabe fördern die Auseinandersetzung mit dem Thema.
Kompetenzen:
- Analytisches und kritisches Denken
- Reflexionsfähigkeit und Perspektivenwechsel
- Argumentations- und Urteilskompetenz
- Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit
Zielgruppe und Niveau:
Ab Klasse 10
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