In diesem Arbeitsblatt lernst du, was der Male Gaze ist und wie er unsere Gesellschaft beeinflusst.
Hast du schon mal bemerkt, dass Frauen in Filmen, Serien oder Werbung oft ganz anders dargestellt werden als Männer? Das liegt oft am sogenannten Male Gaze (übersetzt: männlicher Blick). Diesen Begriff hat die Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey 1975 geprägt. Er beschreibt, wie Frauen in visuellen Medien oft nicht als eigenständige Charaktere mit eigener Handlung, sondern eher als hübsche Objekte gezeigt werden – also als etwas, das angeschaut wird.
Das liegt daran, dass viele Filme und Kunstwerke aus einer männlich geprägten Sichtweise erzählt werden. Männer werden meistens als aktive Helden gezeigt, die handeln und Entscheidungen treffen, während Frauen eher eine passive Rolle einnehmen und oft durch ihren Körper inszeniert werden. Das sieht man zum Beispiel in Kameraperspektiven, die bestimmte Körperteile hervorheben oder Frauen so darstellen, dass sie eher dekorativ als handlungstreibend wirken.
Dieses Muster ist nicht neu – es gibt es schon seit Jahrhunderten in Kunst und Kultur. Es hat unser Sehverhalten geprägt, oft ohne dass wir es bewusst merken. Doch wenn wir uns damit beschäftigen und es hinterfragen, können wir neue, vielfältigere Erzählweisen entdecken. Je mehr Menschen sich bewusst machen, wie Frauen und Männer unterschiedlich dargestellt werden, desto eher kann sich etwas ändern – hin zu Geschichten, in denen alle gleichberechtigt handeln können.
Der Begriff "Male Gaze" wurde von der Filmkritikerin Laura Mulvey in ihrem Essay „Visuelle Lust und narratives Kino“ (1975) geprägt. Er beschreibt die Darstellung von Frauen aus einer männlichen, heterosexuellen Perspektive. Diese Perspektive dominiert im narrativen Kino, wo Frauen oft als sexuelle Objekte präsentiert werden, um den Bedürfnissen des männlichen Betrachters zu entsprechen. Der Male Gaze umfasst drei Perspektiven: die der Kamera, die der männlichen Charaktere im Film und die des Publikums.
Die Ursprünge des Male Gaze im Film lassen sich auf die strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zurückführen, die in der Gesellschaft und somit auch in der Filmindustrie verankert sind. Das Kino, vor allem in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, wurde überwiegend von Männern dominiert, sowohl hinter als auch vor der Kamera. Diese männliche Dominanz führte dazu, dass Frauen oft in passiven Rollen dargestellt wurden, die ihre Schönheit und Sexualität betonten. Diese Darstellungen dienten nicht nur ästhetischen Zwecken, sondern auch der Befriedigung männlicher Fantasien und der Bestätigung patriarchaler Werte.
Die Funktion der Frauenbilder im Film ist eng mit der Skopophilie verbunden, einem Konzept aus der Freudschen Psychoanalyse, das die Lust am Schauen beschreibt. Frauen werden im Film oft so inszeniert, dass sie den männlichen Blick anziehen und sexuelle Begierde wecken. Dies geschieht durch die Fokussierung der Kamera auf bestimmte weibliche Körperteile, die als besonders attraktiv gelten. Diese Inszenierung entmenschlicht die Frauen und reduziert sie auf Objekte der Begierde.
Hersteller und Auftraggeber in der Filmindustrie, die überwiegend männlich sind, tragen zur Aufrechterhaltung dieser Darstellung bei. Filme werden oft mit dem Ziel produziert, ein männliches Publikum anzusprechen, wodurch sich der Male Gaze weiter festigt. Diese Normen werden im Laufe der Zeit als natürlich und unveränderlich angesehen, was dazu führt, dass Frauen in Filmen selten aktive, entscheidende Rollen übernehmen.
Der Einfluss des Male Gaze zeigt sich auch in späteren Werken der Filmgeschichte. Viele moderne Filme übernehmen und adaptieren die traditionellen Darstellungsweisen, was die Objektivierung des weiblichen Körpers fortsetzt. Allerdings gibt es auch Gegenbewegungen. Feministische Filmemacherinnen und Kritikerinnen haben begonnen, diese Traditionen zu hinterfragen und alternative Darstellungen von Frauen zu schaffen, die deren Subjektivität und Selbstbestimmung betonen.
📌 Hier findest du Informationen, die dir helfen, die Merkmale des Male Gaze zu erkennen. Verwende sie für die nächste Aufgabe.
Die Kamera fokussiert oft auf bestimmte Körperteile von Frauen, wie Beine, Brust oder Hüfte, um sexuelle Anziehung zu erzeugen.
Tipp: Achte auf Nahaufnahmen und ungewöhnliche Perspektiven, die bestimmte Körperteile betonen.
Frauen werden oft in passiven Rollen dargestellt, während Männer aktiv und entscheidend handeln.
Tipp: Beobachte, wer in der Handlung die Entscheidungen trifft und wer eher reagiert.
Die Kleidung weiblicher Charaktere ist oft eng, knapp und betont ihre Kurven, um sexuelle Attraktivität zu steigern.
Tipp: Vergleiche die Kleidung der weiblichen Figuren mit der ihrer männlichen Gegenstücke in ähnlichen Situationen.
Die Handlung wird häufig aus der Sicht der männlichen Charaktere gezeigt, wodurch die weiblichen Figuren als Objekte wahrgenommen werden.
Tipp: Achte darauf, wessen Perspektive im Film dominiert und wie weibliche Figuren aus dieser Sicht dargestellt werden.
Die Handlungen weiblicher Charaktere werden oft durch ihre Beziehungen oder ihre Wirkung auf Männer bestimmt, anstatt durch eigene Ziele oder Ambitionen.
Tipp: Analysiere die Motivation der weiblichen Charaktere und ob diese unabhängig von männlichen Charakteren existiert.
Der Begriff Female Gaze beschreibt eine Perspektive, die die Welt durch die Augen von Frauen sieht und ihre subjektiven Erfahrungen, Gedanken und Innenwelten betont. Im Gegensatz zum Male Gaze, der Frauen als Objekte des männlichen Begehrens darstellt, hebt der Female Gaze ihre Vielschichtigkeit hervor und ermöglicht eine authentische Repräsentation weiblicher Geschichten. Diese Perspektive gibt Frauen die Möglichkeit, sich selbst darzustellen und ihre eigenen Erzählungen in den Vordergrund zu rücken, frei von männlichen Erwartungen oder Stereotypen.
Im Film könnte sich der Female Gaze durch eine Vielzahl von Ansätzen manifestieren. Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen könnten Geschichten aus weiblicher Sicht erzählen, die die Komplexität und Tiefe weiblicher Charaktere betonen. Anstatt Frauen auf ihr Äußeres oder ihre Sexualität zu reduzieren, könnten Filme ihre inneren Konflikte, Stärken und Schwächen sowie ihre Beziehungen und Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen. Dies könnte durch die Wahl der Kameraeinstellungen, der Erzählweise und der Charakterentwicklung geschehen.
Ein konkretes Beispiel wäre die Darstellung von Frauen in alltäglichen, bedeutungsvollen Momenten, die ihre Authentizität und Vielfalt betonen. Ihre Körper könnten in natürlicher Form gezeigt werden, ohne den Druck bestimmter Schönheitsideale. Der Fokus läge auf ihrer Persönlichkeit und ihren Erfahrungen statt auf einer idealisierten Darstellung von Weiblichkeit. Auch die Interaktionen zwischen den Charakteren könnten ehrlicher und realitätsnäher gestaltet werden, um die Tiefe und Komplexität menschlicher Beziehungen widerzuspiegeln.
Zusammengefasst ermöglicht der Female Gaze im Film eine facettenreiche Darstellung von Frauen als komplexe Individuen. Ihre Erfahrungen und Perspektiven könnten die Vielfalt menschlicher Emotionen und Beziehungen widerspiegeln und die Filmwelt realistischer und inklusiver gestalten.