Ethische Fallbesprechung

Ethische Fallbesprechung

Zielsetzung: Das Arbeitsblatt zielt darauf ab, den Lernenden die Methode und den Nutzen einer ethischen Fallbesprechung zu vermitteln. Sie sollen lernen, moralische Konflikte in der Pflege zu erkennen, strukturiert zu analysieren und verantwortbare Entscheidungen zu treffen.


Inhalte und Methoden: Das Arbeitsblatt ist inhaltlich und methodisch darauf ausgerichtet, ethische Entscheidungsfindung zu üben. Es beginnt mit einer persönlichen Einstellungsreflexion zu zentralen ethischen Aussagen, um die Lernenden auf moralisch herausfordernde Situationen vorzubereiten. Der Hauptinhalt ist eine strukturierte, 9-schrittige Anleitung zur ethischen Fallbesprechung, die von der Fallschilderung und der Wahrnehmung von Gefühlen bis zur Entscheidung & Begründung und abschließenden Reflexion reicht. Die zentrale Methode ist die Analyse eines Fallbeispiels. Die Lernenden wenden die 9 Schritte auf diesen Fall an, diskutieren Handlungsoptionen und bewerten die Folgenabschätzung. Eine Zusatzaufgabe in Form einer Pro-Contra-Debatte vertieft die Auseinandersetzung mit den ethischen Prinzipien Autonomie, Fürsorge, Nichtschaden und Gerechtigkeit, um ein umfassendes Verständnis für verschiedene Perspektiven zu fördern.


Kompetenzen:

  • Ethische Urteilsbildung: Fähigkeit zur strukturierten Analyse und Lösung ethischer Dilemmata
  • Reflexionsfähigkeit: Kritisches Hinterfragen der eigenen Werte und Einstellungen in der Pflege
  • Interdisziplinäres Denken: Berücksichtigung medizinischer, rechtlicher und organisatorischer Rahmenbedingungen
  • Dialog- und Debattenkompetenz: Förderung von Empathie und verantwortbarem Handeln durch Dialog


Zielgruppe und Niveau: Das Arbeitsblatt richtet sich an Personen in Pflegeberufen oder der Ausbildung.

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PM
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Target group and level

Personen in Pflegeberufen oder der Ausbildung

Subjects

PedagogyHealth and Social CareEthics

Ethische Fallbesprechung

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Arbeitsauftrag

Lesen Sie die folgenden Aussagen und begründen Sie, wie Sie die Aussagen bewerten würden: Völlig einverstanden ↔ Unentschlossen ↔ Lehne ab.


„Autonomie ist immer wichtiger als Fürsorge.“

„Manchmal muss man Patienten vor sich selbst schützen.“

„Ich würde nie gegen den Willen eines Menschen handeln.“

Völlig einverstanden Unentschlossen Lehne ab
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Kleingruppenarbeit (2–3 Personen)

Diskutieren Sie und beantworten Sie die Fragen.

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Ziel und Nutzen der ethischen Fallbesprechung

Ethische Fallbesprechungen dienen dazu, schwierige Entscheidungssituationen gemeinsam zu reflektieren, unterschiedliche Perspektiven zu verstehen und verantwortbare Entscheidungen zu treffen. Sie schaffen Raum für Dialog, Empathie und professionelles Handeln.

Schauen Sie sich die Tabelle an und klären Sie Fragen dazu im Plenum.

Schritt Leitfragen / Aufgaben Ihre Notizen
1. Fallschilderung Was ist passiert? Wer ist beteiligt? Wie lautet der Auftrag bzw. die Fragestellung?
2. Wahrnehmung & Gefühle Wie erleben Patient/in, Angehörige, Pflegekräfte und andere Beteiligte die Situation? Welche Emotionen spielen eine Rolle?
3. Ethisches Dilemma Wo liegt der moralische Konflikt? Welche Werte stehen sich gegenüber?
4. Faktenlage Welche medizinischen, rechtlichen oder organisatorischen Rahmenbedingungen sind zu beachten?
5. Werte und Prinzipien Welche ethischen Grundsätze sind betroffen (z. B. Autonomie, Fürsorge, Nichtschaden, Gerechtigkeit)?
6. Handlungsoptionen Welche Handlungsalternativen bestehen?
7. Folgenabschätzung Welche positiven und negativen Folgen könnten die einzelnen Optionen haben?
8. Entscheidung & Begründung Für welche Option entscheiden Sie sich? Warum ist diese ethisch vertretbar?
9. Reflexion Wie fühlen Sie sich mit der Entscheidung? Was nehmen Sie aus dieser Besprechung mit?
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Arbeitsauftrag

Analysieren Sie den folgenden Fall mit den oben genannten Schritten.

Notieren Sie Ihre Gedanken in der Tabelle.

Diskutieren Sie anschließend Ihre Entscheidung in Kleingruppen (3–4 Personen).

Ethische Fallbesprechung: Flüssigkeitsgabe bei Demenz

In einem Pflegeheim in Berlin lebt die demenzkranke Patientin Alice, die wiederholt das Trinken verweigert. Das Team, bestehend aus Pflegekräften und Ärzt:innen, ist unter Zeitdruck, da Personalmangel herrscht. Alices Angehörige, insbesondere ihre Tochter Maria, wünschen eine subkutane Flüssigkeitsgabe, um eine Dehydrierung zu verhindern.

Das ethische Dilemma liegt in der Entscheidung zwischen der Autonomie der Patientin und der Fürsorgepflicht des Teams. Alice hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie keine Flüssigkeitsgabe möchte, was ihre Autonomie und ihr Recht auf Selbstbestimmung unterstreicht. Maria hingegen sieht die Verantwortung des Teams, für das Wohl ihrer Mutter zu sorgen und lehnt eine passive Haltung ab.

Medizinisch betrachtet ist eine subkutane Flüssigkeitsgabe bei mangelnder Flüssigkeitsaufnahme standardmäßig sinnvoll, um Komplikationen zu vermeiden. Juristisch ist jedoch die Einwilligung der Patientin oder ihrer Betreuer:innen entscheidend, was ein rechtliches Hindernis darstellt. Die Pflegekräfte sind sich ihrer Verantwortung bewusst, müssen jedoch die rechtlichen Grenzen respektieren. Der Konflikt zwischen dem Wunsch der Patientin und dem der Angehörigen bleibt ungelöst, während das Team nach einer ethisch vertretbaren Lösung sucht.

Stichpunkte aus Ihrer Diskussion:

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Gemeinsame Reflexion im Plenum

Besprechen Sie die Fragen und beantworten Sie diese im Anschluss.

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Zusatzaufgabe

Aufteilung in Teams:

  • Team Pro Maßnahme.
  • Team Contra Maßnahme.


Vorbereitungsphase:

  • Jedes Team sammelt Argumente für die jeweilige Position.
  • Bezieht dabei ethische Prinzipien wie Autonomie, Fürsorge, Nichtschaden und Gerechtigkeit ein.


Debattenphase:

  • Teams präsentieren abwechselnd ihre Argumente.
  • Gegenseitige Fragen und kurze Diskussion sind erlaubt.


Reflexion:

  • Gemeinsame Auswertung:
  • Welche Argumente waren besonders überzeugend?
  • Welche Werte und Prinzipien wurden besonders relevant?
  • Wie würden Sie die Entscheidung in der Praxis verantworten?


Hinweis:

  • Ziel ist nicht, einen eindeutigen „Gewinner“ zu bestimmen, sondern verschiedene Perspektiven zu verstehen und die eigene Entscheidung ethisch zu reflektieren.



Lösung für die Lehrkraft

Völlig einverstanden Unentschlossen Lehne ab
Die Autonomie von Patient:innen ist ein zentrales ethisches Prinzip in der Pflege. Jede:r hat das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen und die Selbstbestimmung zu wahren, auch bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit. Die Wahrung der Autonomie trägt dazu bei, die Würde und Individualität der Pflegeempfänger:innen zu respektieren.
Sowohl Autonomie als auch Fürsorge sind essenzielle Prinzipien, die im Pflegealltag oft sorgfältig abgewogen werden müssen. Es gibt Situationen, in denen die Autonomie Vorrang hat, aber auch Fälle, in denen das Wohl und der Schutz der Patient:innen wichtiger erscheinen.
Ich lehne ab, dass Autonomie immer wichtiger als Fürsorge ist. Die Fürsorgepflicht verpflichtet Pflegekräfte dazu, Schaden von Patient:innen abzuwenden, insbesondere wenn sie sich selbst gefährden. Hier kann Fürsorge zeitweise über Autonomie stehen.
Es gibt Fälle, in denen Patient:innen sich selbst gefährden, beispielsweise bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung. In solchen Situationen ist es Aufgabe der Pflegefachperson, durch fürsorgliches Handeln Schutz zu gewährleisten und Schaden zu verhindern.
In manchen Fällen ist es nicht eindeutig, ob Schutzmaßnahmen gerechtfertigt sind. Die Entscheidung muss individuell getroffen werden und hängt vom Grad der Selbstgefährdung und von der Urteilsfähigkeit der Patient:innen ab.
Ich lehne ab, Patient:innen generell vor sich selbst zu schützen. Jede:r hat das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, selbst wenn diese riskant sind. Der Wille der Patient:innen muss respektiert werden, solange keine akute Gefährdung für andere besteht.
Die Achtung des Willens von Patient:innen ist eine Grundvoraussetzung für ethisch korrektes Handeln in der Pflege. Jede Form von Zwang ist zu vermeiden, und der Wille der betreuten Person muss immer respektiert werden.
Es gibt ethische Grenzsituationen, in denen ein Handeln gegen den Willen aus Fürsorgegründen erforderlich sein kann, zum Beispiel bei nicht mehr bestehender Einsichtsfähigkeit oder erheblicher Selbstgefährdung.
Ich lehne diese Aussage ab, da es Situationen geben kann, in denen zum Schutz der Person oder Dritter ein Eingreifen gegen den Willen notwendig ist, etwa bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung oder fehlender Urteilsfähigkeit.
Schritt Leitfragen / Aufgaben Ihre Notizen
1. Fallschilderung Was ist passiert? Wer ist beteiligt? Wie lautet der Auftrag bzw. die Fragestellung? Alice, eine demenzkranke Patientin, verweigert das Trinken im Pflegeheim. Ihre Tochter Maria wünscht eine subkutane Flüssigkeitsgabe. Das Team steht vor der Entscheidung zwischen Alices Autonomie und der Fürsorgepflicht.
2. Wahrnehmung & Gefühle Wie erleben Patient/in, Angehörige, Pflegekräfte und andere Beteiligte die Situation? Welche Emotionen spielen eine Rolle? Alice fühlt sich möglicherweise übergangen in ihrer Selbstbestimmung. Maria ist besorgt um das Wohl ihrer Mutter. Das Pflegepersonal könnte sich zwischen rechtlichen und moralischen Pflichten hin- und hergerissen fühlen.
3. Ethisches Dilemma Wo liegt der moralische Konflikt? Welche Werte stehen sich gegenüber? Der Konflikt liegt zwischen Alices Autonomie und der Fürsorgepflicht des Teams, unterstützt durch den Wunsch der Angehörigen, Alices Wohl zu sichern.
4. Faktenlage Welche medizinischen, rechtlichen oder organisatorischen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Medizinisch ist die Flüssigkeitsgabe sinnvoll zur Vermeidung von Komplikationen. Juristisch ist die Zustimmung der Patientin oder ihrer Betreuer:innen erforderlich.
5. Werte und Prinzipien Welche ethischen Grundsätze sind betroffen (z. B. Autonomie, Fürsorge, Nichtschaden, Gerechtigkeit)? Betroffen sind die Prinzipien der Autonomie, Fürsorge und Nichtschaden. Alices Selbstbestimmung steht im Konflikt mit der Pflicht, Schaden durch Dehydrierung zu verhindern.
6. Handlungsoptionen Welche Handlungsalternativen bestehen? Optionen sind die Einhaltung von Alices Wunsch, die subkutane Flüssigkeitsgabe mit Zustimmung der Betreuer:innen oder die Suche nach alternativen Methoden zur Flüssigkeitsaufnahme.
7. Folgenabschätzung Welche positiven und negativen Folgen könnten die einzelnen Optionen haben? Einhaltung von Alices Wunsch könnte ihre Autonomie respektieren, aber zu gesundheitlichen Komplikationen führen. Flüssigkeitsgabe sichert körperliches Wohl, könnte aber ihre Selbstbestimmung verletzen.
8. Entscheidung & Begründung Für welche Option entscheiden Sie sich? Warum ist diese ethisch vertretbar? Ich entscheide mich für die subkutane Flüssigkeitsgabe mit der Zustimmung der Betreuer:innen, da dies sowohl die Fürsorgepflicht als auch rechtliche Vorgaben erfüllt und Alices Gesundheit sichert.
9. Reflexion Wie fühlen Sie sich mit der Entscheidung? Was nehmen Sie aus dieser Besprechung mit? Ich fühle mich mit der Entscheidung sicher, da sie Alices Wohl priorisiert und ethische sowie rechtliche Aspekte berücksichtigt. Ich nehme die Bedeutung von Kommunikation und rechtlichen Kenntnissen mit.