Rechtliche und ethische Aspekte der Selbstbestimmung von Patient:innen - Interaktion in Gruppenarbeit
Zielsetzung:
Die Lernenden sollen die ethischen und rechtlichen Aspekte der Selbstbestimmung von Patient:innen in der Pflege verstehen. Das übergeordnete Ziel ist es, ihnen die Fähigkeit zu vermitteln, die Spannung zwischen Fürsorgepflicht und Selbstbestimmungsrecht zu erkennen und rechtlich korrekte sowie ethisch fundierte Entscheidungen zu treffen.
Inhalte und Methoden:
Das Arbeitsblatt thematisiert die Entstehungsbedingungen von Gewalt in der Pflege sowie deren Formen. Es werden die rechtlichen Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts und der Einwilligung in der Pflege erläutert, wobei auch der Begriff der Körperverletzung und deren Rechtfertigungsgründe behandelt werden. Ein ausgewähltes Fallbeispiel dient der Analyse ethischer Dilemmata. In Gruppen- und Partnerarbeit analysieren die Lernenden den Fall, recherchieren Rechtsverletzungen und bereiten eine Pro- und Contra-Diskussion zum Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und Fürsorgepflicht vor. Methoden umfassen Gruppen- und Partnerarbeit, Fallanalyse, Textanalyse, Recherche und eine strukturierte Diskussion.
Kompetenzen:
- Verstehen der rechtlichen und ethischen Grundlagen der Patient:innenautonomie
- Analysieren von Fallbeispielen und Erkennen von Konfliktsituationen
- Unterscheiden zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Pflegehandlungen
- Argumentieren und Diskutieren zu ethischen Dilemmata
- Recherchekompetenzen im rechtlichen und ethischen Kontext
- Kritische Reflexion der eigenen Haltung und des eigenen Handelns in der Pflege
Zielgruppe und Niveau:
Berufsschule
Hinweis: Für die Bearbeitung einer Aufgabe braucht man zu Recherche-Zwecken das Internet.
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Target group and level
Berufsschule
Subjects
Rechtliche und ethische Aspekte der Selbstbestimmung von Patient:innen - Interaktion in Gruppenarbeit


Pflege zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung
Gewalt in der Pflege: Ursachen und Formen
Gewalt in der Pflege entsteht oft durch Zeitdruck, Personalmangel und widersprüchliche Anforderungen. Überforderung, fehlende Schulung und persönliche Belastungen können aggressives Verhalten bei Pflegenden fördern. Gewalt zeigt sich körperlich, verbal und strukturell - z. B. durch Herabsetzungen, Ignorieren von Schmerz oder Zwangsmaßnahmen ohne Zustimmung.
Rechtliche Grundlagen
Das Grundgesetz schützt die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht. Jede pflegerische Maßnahme braucht eine informierte Einwilligung - sonst droht der Vorwurf der Körperverletzung. Gewalt ist nur in Ausnahmefällen wie Notwehr oder bei richterlicher Genehmigung erlaubt. Die Fürsorgepflicht erfordert eine sorgfältige Abwägung mit dem Recht auf Selbstbestimmung.
Ethische Spannungsfelder
Pflegende stehen oft zwischen Fürsorge und dem Wunsch der Patient:innen nach Selbstbestimmung. Maßnahmen gegen den Willen sind problematisch - vor allem bei abhängig lebenden Personen. Reflexion, Beratung und ethische Abwägungen helfen, gewaltfreie Pflege zu ermöglichen. Die Haltung der Pflegenden ist dabei entscheidend.
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT !!
Lehrer:in-Vortrag: Beginne mit einem kurzen Impulsvortrag. Stelle die Frage, was die Lernenden unter dem Begriff "Selbstbestimmung" verstehen und wie sich dieser Begriff in der Pflegepraxis manifestiert. Gib einen kurzen Überblick über die Relevanz des Themas und die Lernziele der Stunde, z. B:
"Die Relevanz dieses Themas liegt darin, dass wir in unserem Berufsalltag ständig in Situationen kommen, in denen die Theorie mit der Praxis kollidiert. Während es in den Gesetzen klar geregelt ist, dass Patient:innen ein Recht auf Selbstbestimmung haben, kann es im stressigen Alltag der Pflege schnell zu Zielkonflikten kommen.
Es geht nicht nur darum, was wir tun dürfen, sondern auch, was wir tun müssen, um die Würde und die Rechte der uns anvertrauten Menschen zu wahren. Die Gratwanderung zwischen Fürsorgepflicht und der Akzeptanz des Patient:innenwillens ist eine der größten Herausforderungen in unserem Beruf. Daher ist es entscheidend, die rechtlichen und ethischen Aspekte zu verstehen, um professionell und sicher agieren zu können."
Grundlagen und Entstehungsbedingungen von Gewalt in der Pflege
👥 Arbeitsauftrag Gruppenarbeit: Bilden Sie 3er-4er-Gruppen. Analysieren Sie Ihr Fallbeispiel auf folgende Aspekte hin:
- Wo liegen die Konflikte in der Situation?
- Welche möglichen Entstehungsbedingungen für Gewalt (verbal, psychisch, körperlich) gibt es?
- Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidungsfreiheit der Patient:innen (z. B. Abhängigkeit, Krankheit, Fürsorgepflicht)?
- Welche rechtlichen Grundlagen könnten hier relevant sein (z. B. Selbstbestimmungsrecht, Grundgesetz, Menschenrechte)?
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT!!!
Teile jeder Gruppe ein anderes Fallbeispiel aus.
Der Widerstand von Frau Zhang: Eine alltägliche Herausforderung
Frau Zhang lebt seit einigen Monaten im Pflegeheim und ist für viele Kolleg:innen durch ihre freundliche und ruhige Art bekannt. Heute jedoch steht sie am frühen Morgen in ihrem Zimmer, die Stirn in Falten gelegt, als Pflegefachkraft Herr Yilmaz vorsichtig an die Tür klopft. Die morgendliche Grundpflege steht an, und ein Blick auf die Dokumentation lässt keinen Zweifel: Die letzte Dusche liegt bereits mehrere Tage zurück, der Körpergeruch ist unverkennbar, Hautirritationen machen sich bemerkbar. Herr Yilmaz nähert sich ihr behutsam und erklärt mit ruhiger Stimme, dass heute ein guter Tag für eine erfrischende Dusche sei. Doch als er den Duschstuhl in das Badezimmer schiebt, verfinstert sich Frau Zhangs Miene. Sie schüttelt den Kopf, stemmt sich mit aller Kraft gegen den Türrahmen und ruft laut: „Nein! Ich will nicht!“ Ihre Stimme überschlägt sich, die Hände zittern, und ein wütender Ausdruck blitzt in ihren Augen auf. Herr Yilmaz versucht, sie zu beruhigen, spricht auf sie ein, doch Frau Zhang weicht zurück, schreit unvermittelt und schlägt wild um sich, als er sich ihr nähert. Einige Bewohner:innen auf dem Flur bleiben stehen, spüren die angespannte Stimmung und tuscheln leise. Herr Yilmaz ringt innerlich mit sich, weiß um die Pflicht, für Frau Zhangs Gesundheit zu sorgen, doch ihre Ablehnung ist eindeutig. Sein Versuch, sie zur Dusche zu bewegen, wirkt auf sie wie ein Angriff, Worte werden schärfer, der Ton lauter, bis schließlich Herr Yilmaz Abstand nimmt, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Im Anschluss bespricht er sich im Team: Während einige Kolleg:innen vorschlagen, Frau Zhang notfalls festzuhalten, geben andere zu bedenken, dass sie das Recht hat, über ihren Körper zu bestimmen – auch wenn krankheitsbedingt die eigene Entscheidungsfähigkeit schwankt. Das Team bleibt uneinig, die Verantwortung wiegt schwer, und am Ende bleibt die Frage: Wie viel Fürsorge ist erlaubt, wenn sie gegen den Willen der Betroffenen geschieht?
✒️ Hier finden Sie Platz für Ihre Ausarbeitungen.
📋 Arbeitsauftrag: Stellen Sie Ihre Ergebnisse im Plenum vor.
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT!!!
Lehrer:in-Vortrag und Austausch: Ergänze die Ergebnisse der Gruppen mit einem kurzen Vortrag über die allgemeinen Entstehungsbedingungen von Gewalt in der Pflege (z. B. Zeitdruck, Personalmangel, mangelnde Kommunikation, fehlende Empathie). Reflektiere gemeinsam mit der Lerngruppe, wie diese Bedingungen zu Konflikten führen können.

Rechtliche Aspekte und ethische Dilemmata
Pflegekräfte müssen rechtliche Vorgaben wie das Selbstbestimmungsrecht beachten - jede pflegerische Maßnahme braucht eine informierte Einwilligung. Zwang ist nur in Ausnahmen erlaubt. Ethische Dilemmata entstehen, wenn Fürsorge und der Wille der Pflegebedürftigen im Widerspruch stehen. In solchen Fällen sind fachliche Reflexion und respektvolle Abwägung entscheidend.
📋 Arbeitsauftrag: Lesen Sie den Text aufmerksam.

Wann gilt eine Handlung in der Pflege als Körperverletzung?
In der professionellen Pflege sind Pflegemaßnahmen oft mit Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit von Patient:innen verbunden. Solche Eingriffe - etwa das Verabreichen einer Injektion, eine Fixierung oder Zwangsmedikation - stellen grundsätzlich eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne dar. Nach deutschem Recht sind sowohl das Grundgesetz als auch das Strafgesetzbuch darauf ausgerichtet, Menschen vor körperlichen Verletzungen zu schützen. Eine pflegerische Handlung wird dann zur strafbaren Körperverletzung, wenn sie ohne einen rechtfertigenden Grund erfolgt. Der wichtigste Rechtfertigungsgrund ist die Einwilligung der betroffenen Person. Diese kann ausdrücklich, aber auch durch schlüssiges Handeln (mutmaßliche Einwilligung) erfolgen. Ein Beispiel für eine mutmaßliche Einwilligung ist, wenn eine Pflegeperson eine Spritze vorbereitet und der Patient / die Patientin daraufhin zustimmend den Bauch freimacht. Ohne Einwilligung oder bei expliziter Ablehnung liegt eine rechtswidrige Körperverletzung vor - auch dann, wenn die Maßnahme medizinisch sinnvoll ist. Darüber hinaus können Notfall- und Nothilfesituationen eine Körperverletzung rechtfertigen. Ist das Leben oder die Gesundheit einer Person akut bedroht und muss sofort gehandelt werden, dürfen Pflegefachpersonen auch ohne vorherige Einwilligung eingreifen - vorausgesetzt, die betroffene Person lehnt die Maßnahme nicht ausdrücklich ab.
Handlungen wie Fixierungen ohne richterlichen Beschluss oder Zwangsmedikation ohne medizinische Notwendigkeit sind besonders kritisch. Sie dürfen niemals zur Erleichterung der Pflege, sondern ausschließlich zum Schutz der Patient:innen oder Dritter erfolgen. Das Abwägen von Nutzen und Schaden, die Einbeziehung aller Beteiligten und die Dokumentation sind dabei unerlässlich.
Pflegefachpersonen müssen stets die Selbstbestimmung und die Rechte der ihnen anvertrauten Menschen respektieren. Jede pflegerische Maßnahme, die gegen den Willen oder ohne Einwilligung durchgeführt wird, kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wählen Sie die richtige Antwort aus.
👥 Recherchearbeit - Partnerarbeit: Recherchieren Sie im Internet nach Beispielen für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten in der Pflege (z. B. Bloßstellung, nicht gewährte Intimsphäre, respektloser Umgang).
✒️ Hier finden Sie Platz für die Ergebnisse Ihrer Recherche.
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT!!!
Austausch im Plenum: Besprich die Ergebnisse der Recherche. Kläre Fragen und stelle den Bezug zum Selbstbestimmungsrecht, dem Grundgesetz und den Menschenrechten her.

Pro- & Contra-Diskussion
👥 Partnerarbeit: Planen Sie eine Pro- und Contra-Diskussion. Sammeln Sie Argumente für diese zwei Haltungen:
- Haltung Pro-Selbstbestimmung: Der Wille der Patient:innen muss immer akzeptiert werden.
- Haltung Contra-Selbstbestimmung: Die Fürsorgepflicht und die Sicherheit der Patient:innen gehen über deren Willen.
Tragen Sie Ihre Pro- & Contra-Argumente ein.
HINWEIS FÜR LEHRKRAFT!!!
Diskussion und Reflexion: Starte eine offene Diskussion im Klassenplenum. Ermutige die Lernenden, ihre Argumente vorzutragen und sich auf die Standpunkte der anderen einzulassen.
Reflexionsauftrag: Reflektiere danach gemeinsam mit den Lernenden den Widerspruch zwischen Patient:innenwillen akzeptieren vs. Pflichtgefühl/Auftragserfüllung. Besprich, wie man in der Praxis einen Mittelweg finden kann. Betone dabei, dass es sich nicht um eine statische Positionierung handeln muss.
Plenumsgespräch: Die Lernenden positionieren sich am Ende der Stunde erneut, diesmal mit ihren gewonnenen Erkenntnissen. Frage danach: „Wie würden Sie in den anfänglichen Fallbeispielen jetzt handeln und warum?“
Lehrer:in-Feedback: Gib ein kurzes Feedback und fasse die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Hebe hervor, dass die Pflegefachkraft stets in einem Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung der Patient:innen und der eigenen Fürsorgepflicht agiert.
👥 Arbeitsauftrag Reflexion: Besprechen Sie gemeinsam Ihre Argumente im Plenum.