Die Gefühlswelt und Sichtweise von Demenzerkrankten
Zielsetzung:
Die Lernenden sollen ein tiefes Verständnis für die Gefühlswelt und Sichtweise von Menschen mit Demenz entwickeln. Das übergeordnete Ziel ist es, ihnen die Fähigkeit zu vermitteln, empathisch auf die emotionalen und kognitiven Veränderungen der Betroffenen zu reagieren, herausforderndes Verhalten als Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse zu interpretieren und deeskalierende Kommunikationsstrategien anzuwenden.
Inhalte und Methoden:
Das Arbeitsblatt beginnt mit einem Brainstorming über die Assoziationen mit Demenzerkrankungen. Ein Lesetext erklärt die kognitiven und emotionalen Veränderungen bei Demenz, die Bedeutung von Emotionen als Kommunikationsmittel und das Phänomen der "verlorenen Gegenwart". Anschließend wird in einer Gruppenübung anhand mehrerer Fallbeispiele geübt, die hinter dem Verhalten liegenden Emotionen zu verstehen. Weitere Fallbeispiele, die Aggression thematisieren, dienen zur Erarbeitung von deeskalierenden Maßnahmen. Die Lernenden sollen ihre Überlegungen aufschreiben und im Plenum diskutieren. Methoden umfassen Brainstorming, Textanalyse, Multiple-Choice-Fragen, Gruppenarbeit mit Fallbeispielen und Diskussion.
Kompetenzen:
- Empathie und Feinfühligkeit für die Gefühlswelt von Menschen mit Demenz
- Unterscheiden zwischen kognitiven und emotionalen Veränderungen bei Demenz
- Erkennen von nonverbalen Signalen und emotionalen Bedürfnissen
- Anwenden von deeskalierenden Kommunikationsstrategien
- Problemlösung und kritisches Denken bei komplexen Verhaltensweisen
- Kollaboration in der Gruppenarbeit und Reflexion im Plenum
Zielgruppe und Niveau:
Berufsschule
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Target group and level
Berufsschule
Subjects
Die Gefühlswelt und Sichtweise von Demenzerkrankten


Die Gefühlswelt von Menschen mit Demenz verstehen
Demenz verändert nicht nur das Denken und Erinnern eines Menschen, sondern hat auch großen Einfluss auf seine Gefühlswelt. Viele Betroffene erleben Unsicherheit, Angst, Traurigkeit oder auch Unruhe - oft, ohne diese Gefühle klar ausdrücken zu können. Für Pflegende und Betreuende ist es deshalb besonders wichtig, feinfühlig zu beobachten, empathisch zu reagieren und nonverbale Signale richtig zu deuten. Wer die emotionale Welt von Menschen mit Demenz besser versteht, kann gezielter auf ihre Bedürfnisse eingehen und eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich sicher und verstanden fühlen.
👥 Arbeitsauftrag - Brainstorming: Überlegen Sie gemeinsam in der Lerngruppe: Was assoziieren Sie mit dem Begriff "Demenzerkrankung"?
🖌️ Notieren Sie sich hier die Punkte, die genannt werden. Dies kann zum Beispiel in Form einer Mindmap sein.
📋 Arbeitsauftrag: Lesen Sie den Text aufmerksam.
Kognitive und emotionale Veränderungen bei Demenz
Der Verlust von Gedächtnis und Orientierung
Demenz ist geprägt von fortschreitenden neurokognitiven Störungen, bei denen das Gedächtnis und die Orientierung zunehmend beeinträchtigt werden. Zu den ersten Anzeichen gehören häufig Gedächtnisstörungen, die sich im Verlauf verstärken. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, sich an aktuelle Ereignisse zu erinnern, verlieren den Überblick über Zeit und Ort und erkennen mitunter sogar vertraute Personen nicht mehr. Diese Orientierungsstörungen betreffen verschiedene Bereiche: räumliche, zeitliche, situative und persönliche Orientierung. Menschen mit Demenz können beispielsweise das aktuelle Datum oder die Jahreszeit nicht mehr benennen und finden sich in ihrer Umgebung kaum noch zurecht. Solche Beeinträchtigungen führen nicht nur zu Unsicherheit, sondern auch zu Ängsten und erhöhter Abhängigkeit von Unterstützung im Alltag.
Die Bedeutung von Emotionen als primärem Kommunikationsmittel
Mit dem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten geraten das gesprochene Wort und logische Zusammenhänge zunehmend in den Hintergrund. Die Fähigkeit zu fühlen bleibt jedoch erhalten. Emotionen werden zum wichtigsten Kommunikationsmittel. Menschen mit Demenz nehmen Stimmungen und Gefühle sehr sensibel wahr, auch wenn sie diese nicht mehr in Worte fassen können. Für die Kommunikation ist es daher essenziell, mit einfühlsamer Mimik, Gestik, Berührungen und durch wertschätzende Haltung zu arbeiten. Die Realität des/der Betroffenen sollte akzeptiert und nicht korrigiert werden, da Gefühle und Bedürfnisse häufig hinter herausforderndem Verhalten stehen, die der/die Erkrankte nicht mehr anders ausdrücken kann. Eine empathische, wertschätzende und echte Zuwendung kann das Wohlbefinden erheblich steigern.
Das Phänomen der „verlorenen Gegenwart“
Ein zentrales Charakteristikum der Demenz ist das sogenannte Phänomen der „verlorenen Gegenwart“. Die Betroffenen leben häufig in der Vergangenheit, da ihnen der Zugang zum Hier und Jetzt zunehmend verloren geht. Erinnerungen an frühere Lebensphasen treten in den Vordergrund, während aktuelle Informationen schnell verblassen. Biografiebezogene Gespräche und Erinnerungspflege gewinnen daher an Bedeutung, um Sicherheit und Identität zu vermitteln. Alte Fotos, vertraute Gegenstände oder Rituale können helfen, Erinnerungen zu aktivieren und den Erkrankten Momente von Vertrautheit zu schenken. Die gegenwärtige Realität wird hingegen immer weniger wahrgenommen und verstanden, was zu scheinbar irrationalem Verhalten führen kann, das jedoch in der erlebten Vergangenheit des/der Betroffenen einen Sinn ergibt.
Kreuzen Sie die korrekte Antwort an.

Empathie-Übungen - Szenarienübung in Gruppenarbeit
👥 Arbeitsauftrag: Bilden Sie 3er-4er-Gruppen. Jede Gruppe erhält ein kurzes, anonymisiertes Fallbeispiel. Diskutieren Sie innerhalb der Gruppe: Welche Emotionen (Angst, Verzweiflung, Unsicherheit) stecken hinter dem Verhalten und wie kann man darauf einfühlsam reagieren?
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT!!!
Teile jeder Gruppe ein anderes Fallbeispiel zu.
Ständige Suche nach der Mutter bei einer demenzerkrankten Bewohnerin
In einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit Demenz zeigt sich bei einer Bewohnerin ein wiederkehrendes Verhalten. Die demenzerkrankte Frau wird regelmäßig dabei beobachtet, wie sie suchend durch die Wohnbereiche geht. Ihr Blick wirkt suchend und fragend, während sie wiederholt nach ihrer Mutter fragt. Oft nähert sie sich Pflegekräften oder anderen Bewohnerinnen und Bewohnern und erkundigt sich nach dem Aufenthaltsort ihrer Mutter. Dabei kann sie ihre Unruhe kaum verbergen, und ihre Stimme klingt besorgt und erwartungsvoll.
Die Umgebung scheint für sie wenig Orientierung zu bieten, wodurch sie sich vermehrt an anderen Personen festhält und diese um Auskunft bittet. In Gesprächen äußert sie häufig den Wunsch, ihre Mutter zu finden oder zu ihr gebracht zu werden. Die zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten scheinen für die Bewohnerin zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Ihr Verhalten ist geprägt von einer inneren Sehnsucht und einer spürbaren Verunsicherung, die in regelmäßigen Abständen wiederkehrt. Die Suche nach der Mutter steht für sie im Mittelpunkt ihres täglichen Erlebens und bestimmt maßgeblich ihre Handlungen und Gespräche im Alltag der Einrichtung.
✒️ Hier finden Sie Platz für Ihre Überlegungen.
HINWEIS FÜR DIE LEHRKRAFT!!!
Reflexion und Überleitung
- Jede Gruppe präsentiert kurz ihre Überlegungen.
- Gemeinsames Fazit: Nicht das Verhalten selbst, sondern die dahinterliegende Emotion ist entscheidend.
Hier ist eine Musterlösung zur Szenarienübung „Ständige Suche nach der Mutter bei einer demenzerkrankten Bewohnerin“, basierend auf pflegewissenschaftlichen Grundlagen zur Empathie und zum Umgang mit Demenz:
1. Emotionen hinter dem Verhalten erkennen
Das wiederholte Suchen nach der Mutter und die Unruhe der Bewohnerin sind Ausdruck tiefer emotionaler Bedürfnisse. Die dahinterstehenden Gefühle sind vor allem:
- Angst: Die Bewohnerin fühlt sich in der fremden Umgebung orientierungslos und sucht Sicherheit.
- Verzweiflung: Die unerfüllte Sehnsucht nach ihrer Mutter führt zu innerer Not.
- Unsicherheit: Zeitliche und räumliche Orientierung gehen verloren, was verstärkt Verunsicherung und Abhängigkeit auslöst.
Das Verhalten ist ein Versuch, Halt zu finden und emotionale Geborgenheit zu erleben.
2. Einfühlsame Reaktionsmöglichkeiten
Empathisches Handeln bedeutet, die Gefühle der Bewohnerin wahrzunehmen, zu respektieren und sie nicht zu korrigieren. Wichtig ist:
- Geduld zeigen: Die Bewohnerin ernst nehmen und nicht auf Logik oder Realität bestehen.
- Gefühle spiegeln: Aussagen wie „Sie machen sich Sorgen um Ihre Mutter, das ist verständlich. Sie vermissen sie sehr.“ helfen, die Emotionen anzuerkennen.
- Sicherheit vermitteln: Durch ruhige Ansprache, bekannte Rituale und kleine Orientierungshilfen (z.B. Fotos, persönliche Gegenstände) kann Geborgenheit geschaffen werden.
- Biografie einbeziehen: Gespräche über ihre Mutter, über frühere Erlebnisse oder die Lebensgeschichte können Trost spenden.
- Validierende Kommunikation: Statt zu korrigieren, die zugrundeliegenden Gefühle und Bedürfnisse ansprechen (z.B. „Sie waren immer eine fürsorgliche Tochter.“).
- Orientierung bieten: Wiederkehrende Tagesstrukturen, vertraute Bezugspersonen und kleine Rituale helfen, die Unsicherheit zu mindern.
3. Gruppenreflexion
In der Gruppenarbeit kann diskutiert werden, wie man als Team auf das Verhalten reagiert: Wer übernimmt wann die Gesprächsführung? Wie kann man gemeinsam Rituale schaffen, die der Bewohnerin Orientierung geben? Wie können Angehörige oder Ehrenamtliche einbezogen werden, um das Sicherheitsgefühl zu stärken?
Fazit
Empathisches Reagieren bedeutet, sich auf die emotionale Welt der Bewohnerin einzulassen, ihre Gefühle zu spiegeln und Orientierung sowie Sicherheit zu bieten. Ziel ist es, nicht gegen das Verhalten zu arbeiten, sondern die dahinterstehenden Bedürfnisse zu erkennen und einfühlsam darauf einzugehen.

Aggression als Abwehr
👥 Arbeitsauftrag-Gruppenarbeit: Lesen Sie das ergänzte Fallbeispiel. Suchen Sie gemeinsam Lösungsansätze für deeskalierendes Verhalten.
Konkrete Tipps:
- Reduktion von Reizen: Licht dämpfen, Geräusche minimieren.
- Geduld und Zeit lassen: Nicht drängen.
- Validierung der Gefühle: "Ich sehe, das macht Sie wütend."
- Ablenkung: Die Situation verlassen, über etwas anderes sprechen.
- Körpersprache: Ruhig bleiben, Blickkontakt vermeiden, seitlich positionieren.
Wiederkehrende Suche nach der Mutter und aggressive Abwehr bei einer demenzerkrankten Bewohnerin
In einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit Demenz fällt eine Bewohnerin durch ein wiederkehrendes, suchendes Verhalten auf. Die demenzerkrankte Person durchstreift regelmäßig die Wohnbereiche, wirkt dabei suchend und fragt mehrfach nach ihrer Mutter. Sie spricht Pflegekräfte sowie andere Bewohnerinnen und Bewohner gezielt an und bittet um Auskunft über den Aufenthaltsort ihrer Mutter. In diesen Situationen zeigt sich eine spürbare innere Unruhe, die sich in einem besorgten und erwartungsvollen Tonfall äußert. Die räumliche und zeitliche Orientierung ist der Person zunehmend erschwert, wodurch sie sich verstärkt an anderen Menschen orientiert.
Im Verlauf dieses wiederkehrenden Verhaltens reagiert die Bewohnerin gelegentlich mit Aggression, insbesondere dann, wenn ihre Fragen nicht beantwortet werden können oder sie auf Unverständnis stößt. In solchen Momenten äußert sie lautstark ihren Unmut, lehnt Hilfsangebote ab oder entfernt sich abrupt aus der Situation. Die wiederholte Suche nach der Mutter sowie aggressive Abwehrreaktionen bestimmen maßgeblich das tägliche Erleben und Handeln der demenzerkrankten Person im Alltag der Einrichtung.
✒️ Schreiben Sie hier Ihre Ergebnisse und Überlegungen auf.
📋 Arbeitsauftrag: Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam. Reflektieren und diskutieren Sie anschließend Ihre Ergebnisse im Plenum. Ergänzen Sie gegebenenfalls Ihre Ergebnisse.
Deeskalierende Maßnahmen bei wiederkehrender Suche und Aggressionen einer demenzerkrankten Bewohnerin
Verständnis für die Gefühlslage und Bedürfnisse
Das wiederholte Suchen nach der Mutter ist Ausdruck von Angst, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. In solchen Situationen ist es zentral, die Gefühle der Bewohnerin ernst zu nehmen und nicht zu korrigieren. Pflegekräfte sollten die emotionale Lage wahrnehmen und spiegeln, etwa durch Sätze wie: „Sie vermissen Ihre Mutter sehr, das muss schwer für Sie sein.“ Die Realität der Bewohnerin wird dadurch anerkannt, was ihr Sicherheit und Wertschätzung vermittelt. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Denkvermögen nachlässt, die Fähigkeit zu fühlen aber erhalten bleibt.
Kommunikation und Umgang in der Situation
Im Umgang mit herausforderndem Verhalten und Aggressionen ist eine ruhige, wertschätzende Kommunikation entscheidend. Pflegekräfte sollten Blickkontakt auf Augenhöhe aufnehmen und in ruhigem Ton sprechen. Berührungen, wie eine Hand auf der Schulter, können zusätzlich Sicherheit vermitteln. Es sollten möglichst keine offenen oder „Warum“-Fragen gestellt werden, sondern kurze, klare Aussagen und geschlossene Fragen, etwa: „Möchten Sie sich kurz setzen?“ Dies nimmt Druck aus der Situation und verhindert Überforderung.
Biografiearbeit und Orientierungshilfen
Ein biografiebezogenes Gespräch kann helfen, die Unruhe zu mindern. So kann an schöne Erinnerungen mit der Mutter angeknüpft werden („Erzählen Sie mir, was Sie mit Ihrer Mutter gerne gemacht haben“), um die Bewohnerin emotional abzuholen. Vertraute Gegenstände oder Fotos der Mutter auf dem Nachttisch können Geborgenheit vermitteln. Klare Orientierungshilfen – wie gut lesbare Schilder oder persönliche Gegenstände – fördern zusätzlich das Sicherheitsgefühl.
Strukturen, Rituale und Aktivierung
Ein strukturierter Tagesablauf und feste Rituale geben Halt. Tageszeitgemäße Begrüßungen, wiederkehrende Aktivitäten sowie die Einbindung gewohnter Rituale (z.B. gemeinsames Kaffeetrinken) schaffen Verlässlichkeit. Kurze Aktivierungsangebote, wie die 10-Minuten-Aktivierung mit biografisch relevanten Gegenständen, können die Konzentration fördern und das emotionale Gleichgewicht stabilisieren.
Umgang mit Aggressionen
Zeigt die Bewohnerin aggressive Abwehr, sollte nicht widersprochen oder diskutiert werden. Stattdessen hilft es, Distanz zu wahren und die Situation zu entschärfen („Ich sehe, Sie sind gerade sehr aufgebracht, ich bleibe in der Nähe und komme gleich wieder“). Nach einer kurzen Pause kann erneut versucht werden, beruhigend zu wirken. Wichtig ist, die aggressive Reaktion nicht persönlich zu nehmen, sondern als Ausdruck von Überforderung und Angst zu interpretieren.
Einbindung von Bezugspersonen
Falls möglich, können Angehörige oder vertraute Bezugspersonen in die Betreuung einbezogen werden. Dies gibt zusätzliche Sicherheit und kann das emotionale Wohlbefinden der Bewohnerin stärken.