Erlebnisberichte
Zielsetzung: Das übergeordnete Lernziel des Arbeitsblattes ist es, Schüler:innen an einem gewählten Beispiel ein tiefgreifendes Verständnis für historische Ereignisse, deren Ursachen und langfristige Auswirkungen sowie die Bedeutung von Zeitzeugenberichten zu vermitteln.
Inhalte und Methoden: Das Arbeitsblatt behandelt ein historisches Ereignis in Form eines Zeitzeugenberichts im Detail. Methodisch wird eine Kombination aus narrativen Texten, die den Verlauf einer Hausaufgabe und ein Interview beschreiben, und dem Anhören von Audio-Inhalten über QR-Codes genutzt, um einen authentischen Erlebnisbericht zu vermitteln. Aufgaben zur Wissensüberprüfung (Lückentext, offene Fragen) dienen der Vertiefung des Gelernten.
Kompetenzen:
- Historisches Wissen und Verständnis
- Kritisches Denken (Analyse von Ursachen und Folgen)
- Empathie und soziale Sensibilisierung (Umgang mit persönlichen, schmerzhaften Geschichten)
- Leseverständnis
- Hörverständnis
- Informationsbeschaffung und -verarbeitung (Interviewführung, Notizen anfertigen)
Zielgruppe und Niveau: 8.-10. Klasse
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Target group and level
8.-10. Klasse
Subjects
Erlebnisberichte


Die Hausaufgabe
Im folgenden Text liest du den Beginn einer Geschichte, in der eine ganz besondere Hausaufgabe aufgegeben wird. Lies ihn dir aufmerksam durch und beantworte anschließend die darunter stehenden Fragen.
Anna saß in ihrem Geschichtsunterricht und starrte gedankenverloren auf die alte Weltkarte, die an der Wand hing. Es war das Jahr 2016, und die Klasse war ungewöhnlich still. Herr Novak, ihr Lehrer, stand vor der Tafel und hielt ein dickes Buch in der Hand.
„Heute, meine lieben Schüler,“ begann Herr Novak mit seiner ruhigen, aber bestimmten Stimme, „werden wir über ein sehr wichtiges Ereignis sprechen: die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl.“
Ein leises Murmeln ging durch die Klasse. Anna setzte sich aufrechter hin und spitzte die Ohren. Die Katastrophe von Tschernobyl war ein Thema, das sie schon immer interessiert hatte. Sie hatte oft Dokumentationen darüber gesehen und war fasziniert von den Geschichten der Menschen, die von diesem schrecklichen Ereignis betroffen waren.
„Eure Hausaufgabe,“ fuhr Herr Novak fort, „ist es, jemanden zu finden und zu interviewen, der direkt von dieser Katastrophe betroffen war. Ihr sollt herausfinden, wie dieses Ereignis ihr Leben verändert hat und welche Gefühle sie damals hatten.“
Anna fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. Diese Aufgabe klang nicht nur spannend, sondern auch herausfordernd. Sie blickte zu ihren Mitschülern, die alle unterschiedlich auf die Aufgabe reagierten. Einige wirkten begeistert, andere eher verunsichert.
„Ihr habt zwei Wochen Zeit dafür,“ schloss Herr Novak ab. „Denkt daran, respektvoll und einfühlsam zu sein. Es handelt sich um sehr persönliche und oft schmerzhafte Geschichten.“
Anna packte ihre Sachen zusammen, als der Unterricht zu Ende war, und ging langsam aus dem Klassenzimmer. Während sie die Treppen hinunterstieg, dachte sie darüber nach, wen sie interviewen könnte. Plötzlich fiel ihr jemand ein. Ihr Nachbar, Herr Ivanov, hatte ihr oft von seiner Kindheit in der Nähe von Prypjat erzählt und wie er und seine Familie evakuiert wurden. Er musste die perfekte Person für diese Aufgabe sein.
Mit einem entschlossenen Lächeln auf den Lippen verließ Anna die Schule. Sie wusste genau, wen sie fragen würde, und konnte es kaum erwarten, die Geschichten von Herrn Ivanov zu hören und sie mit der Klasse zu teilen.

Vorwissen
Überlege: Was weißt du bereits über dieses Thema? Fallen dir Fragen ein, die du zu diesem Thema gerne stellen würdest?

Die Kontaktaufnahme
Lies nun, wie die Geschichte weitergeht.
Anna eilte nach Hause, ihre Gedanken kreisten um Herrn Ivanov und die bevorstehende Aufgabe. Sie konnte es kaum erwarten, mehr über seine Erlebnisse zu erfahren und sie mit ihrer Klasse zu teilen. Als sie die Haustür aufschloss, hörte sie das vertraute Klingeln des Telefons. Es war ihre Mutter, die ihr mitteilte, dass sie noch länger im Büro bleiben müsse. Anna versprach, das Abendessen vorzubereiten und legte den Hörer auf.
Sie entschied sich, keine Zeit zu verlieren. Sie kannte Herrn Ivanov gut genug, um zu wissen, dass er oft in seinem Garten arbeitete. Also zog sie schnell ihre Schuhe an und ging hinüber zu seinem Haus. Sie klingelte an der Tür und wartete gespannt.
Nach wenigen Augenblicken öffnete Herr Ivanov die Tür. Der alte Mann mit dem freundlichen Gesicht und den weisen Augen begrüßte sie herzlich. "Anna, was für eine Überraschung! Wie kann ich dir helfen?"
Anna erklärte ihm ihre Aufgabe und fragte vorsichtig, ob er bereit wäre, mit ihr über seine Erfahrungen zu sprechen. Sie betonte, wie wichtig sie es fand, dass ihre Mitschüler von jemandem hören, der das Ereignis selbst erlebt hatte.
Herr Ivanov lächelte sanft und nickte. "Ich würde sehr gerne meine Geschichte mit dir teilen, Anna. Es ist wichtig, dass die jungen Leute von solchen Ereignissen erfahren, damit sie die Vergangenheit verstehen und daraus lernen können."
Anna atmete erleichtert auf. "Vielen Dank, Herr Ivanov. Wann wäre es Ihnen denn recht, damit wir uns zusammensetzen und darüber sprechen können?"
"Wie wäre es mit morgen Nachmittag?" schlug Herr Ivanov vor. "Dann habe ich genug Zeit, um meine Gedanken zu sammeln und dir alles in Ruhe zu erzählen."
Anna stimmte freudig zu. "Das wäre perfekt. Vielen Dank nochmal."
Am nächsten Tag stand sie pünktlich vor Herrn Ivanovs Haus. Er führte sie in sein gemütliches Wohnzimmer, wo bereits zwei Tassen Tee auf dem Tisch standen. Sie setzten sich, und Herr Ivanov begann zu erzählen.
"Ich war noch ein Junge, als die Katastrophe passierte," begann er. "Wir lebten in der Nähe von Prypjat. Es war ein ganz normaler Tag, bis plötzlich alles anders wurde…"
Anna lauschte gespannt. Sie wusste, dass diese Erzählung nicht nur für ihre Hausaufgabe wichtig war, sondern auch eine wertvolle Lektion über Geschichte und Menschlichkeit darstellte.

Der Erlebnisbericht - Teil 1
Hör dir nun in den ersten Teil des Erlebnisberichts an.
Herr Ivanov hielt inne und nahm einen Schluck von seinem Tee. Seine Augen blickten in die Ferne, als ob er die Erinnerungen erneut durchlebte. Anna saß auf der Kante ihres Stuhls, ihre Augen weit geöffnet und voller Faszination. Sie konnte kaum glauben, dass jemand, den sie kannte, so hautnah bei diesem historischen Ereignis dabei gewesen war.
Nach einer kurzen Pause räusperte sich Anna. "Herr Ivanov, wie konnte es zu dieser Explosion kommen? War das Kernkraftwerk nicht sicher genug? Oder gab es Anzeichen, dass etwas schiefgehen könnte?"
Herr Ivanov legte seine Teetasse ab und sah Anna an. "Das ist eine sehr gute Frage, Anna. Die Katastrophe hatte mehrere Ursachen, sowohl technische als auch menschliche Fehler. Lass mich dir erklären, wie es dazu kommen konnte…"

Der Erlebnisbericht - Teil 2
Hör dir nun den zweiten Teil des Erlebnisberichts an und bearbeite die dazugehörige Aufgabe.
Setze die Wörter an den richtigen Stellen ein.

Der Erlebnisbericht - Teil 3
Lies dir durch wie die Geschichte weitergeht und hör dir anschließend den letzten Teil des Erlebnisberichts an. Dann beantworte die dazugehörigen Fragen.
Herr Ivanov hielt inne und nahm einen tiefen Atemzug. Seine Augen wirkten traurig, als er die schmerzhaften Erinnerungen erneut durchlebte. Anna saß immer noch gebannt auf der Kante ihres Stuhls, ihre Gedanken rasten. Sie war fasziniert von den Details und der Ernsthaftigkeit, mit der Herr Ivanov erzählte.
„Herr Ivanov,“ begann Anna vorsichtig, „was waren die langfristigen Folgen dieser Katastrophe? Nicht nur für die Menschen, die direkt betroffen waren, sondern auch für die Umwelt und zukünftige Generationen?“
Herr Ivanov sah Anna an und nickte langsam. „Das ist eine sehr wichtige Frage, Anna. Die unmittelbaren Folgen waren verheerend, aber die langfristigen Auswirkungen sind ebenso gravierend. Viele Menschen erkrankten an Strahlenkrankheit, und die Krebsraten stiegen in den betroffenen Regionen erheblich an. Die Umwelt wurde stark kontaminiert, und es wird noch Jahrhunderte dauern, bis die Strahlung vollständig abgebaut ist. Aber lass mich dir mehr darüber erzählen…“
Anna saß da und lauschte noch eine Weile den Worten von Herrn Ivanov, tief beeindruckt von der Tiefe seiner Erzählungen. Schließlich erhob sie sich und sagte mit einem dankbaren Lächeln: „Vielen Dank, Herr Ivanov, dass Sie Ihre Geschichte mit mir geteilt haben. Ich bin Ihnen sehr dankbar und habe viel daraus gelernt. Es ist wichtig, dass wir solche Geschichten hören und daraus lernen.“
Herr Ivanov lächelte zurück und nickte. „Es war mir eine Freude, Anna. Es ist unsere Verantwortung, die Vergangenheit nicht zu vergessen.“
Am nächsten Tag in der Schule berichtete Anna ihrer Klasse von Herrn Ivanovs Erlebnissen. Sie erzählte von der Explosion, der Evakuierung und den langfristigen Folgen der Katastrophe. Herr Novak und ihre Mitschüler hörten aufmerksam zu, beeindruckt von den Details und der Ernsthaftigkeit ihrer Präsentation.
Nach dem Vortrag lobte Herr Novak Anna für ihre hervorragende Arbeit und gab ihr eine sehr gute Note. Anna fühlte sich stolz und wusste, dass sie nicht nur eine gute Note bekommen hatte, sondern auch etwas sehr Wertvolles über Geschichte und Menschlichkeit gelernt hatte.