Kulturelle Modelle in der Pflege

Kulturelle Modelle in der Pflege

Zielsetzung: Das Arbeitsblatt zielt darauf ab, den Lernenden die Anwendung von zwei zentralen kulturellen Pflegemodellen zu vermitteln: Madeleine Leiningers kulturell kongruente Pflege und Giger & Davidhizars sechs kulturelle Phänomene. Es soll die Fähigkeit schulen, diese Modelle in der Praxis anzuwenden, um eine kultursensible und respektvolle Pflege zu gewährleisten.


Inhalte und Methoden: Das Arbeitsblatt basiert auf zwei Modellen: Leiningers Theorie der kulturspezifischen Fürsorge mit den Strategien kulturelle Erhaltung, kulturelle Anpassung und kulturelle Neugestaltung sowie Giger & Davidhizars sechs kulturellen Phänomenen: Kommunikation, Raumorientierung, soziale Organisation, Zeitorientierung, Umweltkontrolle und biologische Variationen. Methodisch arbeiten die Lernenden Konzepte und Praxisbeispiele aus, analysieren eine Fallstudie und leiten daraus kultursensible Pflegemaßnahmen ab. Abschließend reflektieren sie, wie kultursensible Kommunikation ohne Stereotype gelingen kann.


Kompetenzen:

  • Kulturelle Kompetenz: Verstehen und Anwenden zentraler Modelle der transkulturellen Pflege
  • Pflegeplanung: Entwicklung kultursensibler Interventionen (kongruente Pflege)
  • Kritisches Denken: Analyse komplexer kultureller Einflussfaktoren auf die Gesundheit


Zielgruppe und Niveau: Das Arbeitsblatt richtet sich an Pflegeschüler:innen und -fachkräfte und behandelt fortgeschrittene Konzepte der transkulturellen Pflege.


BNE:

  • 10: Weniger Ungleichheiten: Durch die Anpassung der Pflege an kulturelle Bedürfnisse werden Ungleichheiten und Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung reduziert.

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Target group and level

Pflegeschüler:innen und -fachkräfte und behandelt fortgeschrittene Konzepte der transkulturellen Pflege

Subjects

PedagogyHealth and Social CareSustainable Development Goals (SDG)

Kulturelle Modelle in der Pflege

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Arbeitsauftrag

Lesen Sie den Informationstext und erklären Sie die drei Pflegehandlungsstrategien nach Leininger in Ihren eigenen Worten.

Kulturell kongruente Pflege nach Madeleine Leininger

Die kulturell kongruente Pflege ist ein zentrales Konzept in der Theorie der kulturspezifischen Fürsorge der Pflegewissenschaftlerin Madeleine Leininger. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht das Verständnis, dass Pflege nur dann effektiv und nachhaltig ist, wenn sie die kulturellen Werte, Überzeugungen und Lebensweisen der Patient:innen respektiert und in die pflegerische Praxis integriert. Leininger definiert Fürsorge als helfende, unterstützende und fördernde Verhaltensweisen, die das Wohl anderer Menschen sichern. Sie betont, dass diese Fürsorge stark durch die jeweilige Kultur geprägt ist und somit in unterschiedlichen Kulturen verschieden ausgeprägt sein kann.

Leininger unterscheidet zwischen kulturspezifischer Fürsorge-Universalität (Gemeinsamkeiten) und Fürsorge-Diversität (Unterschiede). Für eine erfolgreiche Pflege ist es notwendig, dass Pflegende die individuellen und gruppenspezifischen kulturellen Hintergründe der Pflegeempfänger:innen kennen und berücksichtigen. Dabei hat Leininger drei zentrale Pflegehandlungsstrategien entwickelt:

Erstens die kulturelle Erhaltung bzw. Bewahrung, bei der Pflegepersonen kulturell bedeutsame Praktiken, wie spezielle Ernährungsgewohnheiten oder Rituale, unterstützen und in die Pflege integrieren.

Zweitens die kulturelle Anpassung bzw. Aushandlung, wobei Pflegeinterventionen gemeinsam mit den Patient:innen im Dialog angepasst werden, um sowohl gesundheitliche Ziele als auch kulturelle Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Drittens die kulturelle Neugestaltung bzw. Umstrukturierung, bei der Pflegende Patient:innen dabei unterstützen, gesundheitsförderliche Veränderungen vorzunehmen, ohne ihre kulturelle Identität zu gefährden – etwa indem schädliche Praktiken durch alternative, kultursensible Maßnahmen ersetzt werden.

Das Ziel der kulturell kongruenten Pflege ist es, das Wohlbefinden, die Genesung und die Lebensqualität der Patient:innen zu fördern und gleichzeitig deren kulturelle Identität zu wahren. Leiningers Ansatz fordert von Pflegenden Einfühlungsvermögen, Offenheit und die Bereitschaft zur Reflexion eigener und fremder Werte.

Erklären Sie die drei Pflegehandlungsstrategien nach Leininger in Ihren eigenen Worten und geben Sie jeweils ein konkretes Beispiel aus dem Pflegealltag.

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Arbeitsauftrag

Lesen Sie den Text aufmerksam durch und wählen Sie dann die richtige Aussage aus.


Die Bedeutung kultureller Einzigartigkeit in der Pflege nach Giger & Davidhizar

Jeder Mensch ist einzigartig und wird dennoch von der Kultur, in der er lebt, entscheidend geprägt. Gerade in der professionellen Pflege gewinnt das Verständnis für diese kulturelle Prägung eine besondere Bedeutung. Giger & Davidhizar haben mit ihrem Modell sechs zentrale kulturelle Phänomene identifiziert, die Pflegekräfte bei der Betreuung von Patient:innen berücksichtigen sollten. Diese Phänomene sind: Kommunikation, Raumorientierung, soziale Organisation, Zeitorientierung, Umweltkontrolle und biologische Variationen.

Die Kommunikation umfasst neben der Sprache auch nonverbale Signale und mögliche Sprachbarrieren. Pflegende müssen hier aufmerksam sein und gegebenenfalls Übersetzungshilfen nutzen, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Raumorientierung beschäftigt sich mit den Distanzzonen und dem individuellen Bedürfnis nach Nähe oder Abstand. Dieses Wissen hilft, den Patient:innen die notwendige Privatsphäre oder Nähe zu gewähren.

Die soziale Organisation bezieht familiäre Strukturen, Rollenverteilung und religiöse Bindungen ein. Pflegekräfte begegnen unterschiedlichsten Vorstellungen von Familie und sozialen Beziehungen, die das Pflegeverständnis beeinflussen können. Die Zeitorientierung zeigt sich in der Bedeutung von Pünktlichkeit und der Ausrichtung auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Für manche Kulturen ist beispielsweise die Gegenwart wichtiger als die Planung der Zukunft.

Auch die Umweltkontrolle spielt eine Rolle: Der Umgang mit Gesundheit, Krankheit und Natur kann sich je nach kulturellem Hintergrund stark unterscheiden. Schließlich weisen Patient:innen durch biologische Variationen genetische oder physiologische Unterschiede auf, die beispielsweise Einfluss auf die Wirkung von Medikamenten oder die Hautpflege haben.

Pflegekräfte, die die sechs kulturellen Phänomene von Giger & Davidhizar in ihre tägliche Arbeit integrieren, ermöglichen eine individuelle und kultursensible Pflege. Sie tragen dazu bei, die Einzigartigkeit jeder Person zu respektieren und gleichzeitig den Einfluss der Kultur auf das Pflegeerleben angemessen zu berücksichtigen.

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Arbeitsauftrag

Lesen Sie das folgende Fallbeispiel sorgfältig durch und wenden Sie beide Theorien an.

  1. Analysieren Sie die Situation anhand der sechs kulturellen Phänomene.
  2. Identifizieren Sie kulturell relevante Pflegebedarfe und mögliche Kommunikations- oder Interaktionsbarrieren.
  3. Übertragen Sie Leiningers drei Pflegehandlungsstrategien auf den Fall.
  4. Formulieren Sie konkrete pflegerische Maßnahmen, die sowohl kultursensibel als auch professionell sind.
  5. Reflektieren Sie, wie sich Ihre Maßnahmen auf die Pflegebeziehung und die Patient:innenzufriedenheit auswirken könnten

Mehmet Yilmaz: Ein kulturell sensibler Pflegeansatz

Mehmet Yilmaz, ein 78-jähriger türkischer Mann, lebt seit über 30 Jahren in Deutschland und spricht fließend Deutsch. Als gläubiger Muslim hält er religiöse Praktiken wie das tägliche Gebet und bestimmte Ernährungsvorschriften ein. Er ist Witwer, doch seine Kinder besuchen ihn regelmäßig im Pflegeheim. Mehmet leidet an Typ-2-Diabetes, was eine strikte Diät und regelmäßige Insulininjektionen erfordert. Die Pflegekräfte stehen vor der Herausforderung, seine Ernährungsgewohnheiten mit den medizinischen Anforderungen in Einklang zu bringen. Mehmet zeigt eine starke Bindung zu seinen kulturellen Werten und lehnt gelegentlich westliche medizinische Praktiken ab, was seine Therapieadhärenz beeinträchtigen kann.

Seine religiösen Rituale, wie das Fasten im Ramadan, sind für ihn von großer Bedeutung. Die Pflegekräfte respektieren diese Praktiken und integrieren sie in seinen Pflegeplan, um kulturelle Erhaltung zu gewährleisten. Mehmet bevorzugt familiäre Entscheidungsprozesse, wobei seine älteste Tochter oft als Sprachrohr fungiert. Er zeigt eine gewisse Distanz gegenüber Autoritäten, was die Kommunikation erschwert. Die Pflegekräfte nutzen einfühlsame Gesprächstechniken, um Vertrauen aufzubauen.

Mehmets Tagesablauf ist durch seine Gebetszeiten strukturiert und beeinflusst seinen Umgang mit Pünktlichkeit. Die Pflegekräfte passen seine medizinischen Termine an seinen Rhythmus an, um kulturelle Anpassung zu ermöglichen. Biologisch gesehen hat Mehmet eine erhöhte Neigung zu Hauterkrankungen, was bei der Wundversorgung berücksichtigt werden muss. Die Pflegekräfte achten darauf, seine körperlichen und emotionalen Bedürfnisse durch respektvolle Kommunikation zu adressieren und kultursensible Pflege zu bieten.

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Reflexion & Transfer