Siedlungsgebiete der Armenier vor dem Völkermord

Siedlungsgebiete der Armenier vor dem Völkermord

Der Völkermord an den Armeniern und die türkische Nationalstaatsgründung

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Der Völkermord an den Armeniern, auch Armenozid genannt, war einer der ersten systematischen Genozide des 20. Jahrhunderts. Er fand während des Ersten Weltkriegs unter Verantwortung der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reichs statt.

Der Erste Weltkrieg und die Vertreibung der Armenier

Zwischen 1915 und 1916 wurden zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Armenier bei Massakern und Todesmärschen getötet. Die Armenier bildeten nach den Griechen die zweitgrößte christliche Minderheit im Osmanischen Reich. Vor dem Ersten Weltkrieg lebten rund 1,7 Millionen Armenier im Osmanischen Reich, was etwa zehn Prozent der Bevölkerung Anatoliens entsprach.

Im Jahr 1914 schloss sich das Osmanische Reich den Mittelmächtern im Ersten Weltkrieg an. Unter der jungtürkischen Regierung kam es zu Maßnahmen gegen die armenische Bevölkerung. Begonnen wurde mit der Entwaffnung und späteren Tötung armenischer Soldaten. Ein bedeutender Wendepunkt war der 24. April 1915, als unter Innenminister Talât Pascha Hunderte armenische Intellektuelle in Konstantinopel verhaftet und deportiert wurden. Dies wird oft als Beginn des Völkermords betrachtet. Massendeportationen folgten, wobei Hunderttausende auf Todesmärsche durch die syrische Wüste geschickt wurden, begleitet von zahlreichen Massakern. Der Völkermord an den Armeniern wurde von zahlreichen internationalen Beobachtern dokumentiert, darunter deutsche Diplomaten und der US-Botschafter Henry Morgenthau.

Mustafa Kemal Atatürk und die kemalistische Ära

Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938) war der Gründer der modernen Republik Türkei und ihr erster Präsident von 1923 bis zu seinem Tod 1938. Geboren in Thessaloniki, das damals Teil des Osmanischen Reichs war, machte Atatürk eine militärische Karriere und stieg während des Ersten Weltkriegs zur Bekanntheit auf, besonders durch seine Rolle in der erfolgreichen Verteidigung der Dardanellen im Jahr 1915.

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches führte Atatürk den türkischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Besatzungsmächte. 1923 wurde die türkische Republik ausgerufen, und Atatürk wurde ihr erster Präsident. Atatürk setzte eine Vielzahl von Reformen um, bekannt als Kemalismus. Zu den wichtigsten Reformen gehörte die Abschaffung des Sultanats und des Kalifats, die Einführung des Laizismus, umfangreiche Rechts- und Bildungsreformen sowie die Einführung des lateinischen Alphabets.

Atatürk verfolgte eine Politik der Modernisierung und Säkularisierung. Er war entschlossen, das osmanische Erbe zu überwinden und eine moderne, westlich orientierte Nation zu schaffen. Die kemalistische Regierung förderte auch die Emanzipation der Frauen und führte das Frauenwahlrecht ein. Wirtschaftlich strebte Atatürk eine kontrollierte Industrialisierung und Verstaatlichung wesentlicher Wirtschaftszweige an.

Innere Konflikte und die moderne Türkei

Die kemalistische Ära war geprägt von inneren Konflikten. Der säkulare Kurs der Regierung stieß auf Widerstand aus religiösen Kreisen. Zudem lehnten ethnische Minderheiten wie die Kurden den neuen Einheitsstaat ab, da ihre kulturellen Rechte unterdrückt wurden. Mehrmals kam es zu Militärputschen im 20. Jahrhundert, da das Militär als Hüter der kemalistischen Prinzipien fungierte.

Der Völkermord an den Armeniern blieb ein heikles Thema. Offizielle türkische Historiker sprechen meist von einer kriegsbedingten "Umsiedlung" der Armenier und vermeiden den Begriff "Völkermord". Dies führte international, insbesondere in Deutschland, zu Diskussionen über die Anerkennung des Völkermords. Die Aussage von Adolf Hitler 1939 verdeutlicht die Bedeutung der Erinnerung an historische Verbrechen: "Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?".

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