Intertextualität - Kunstbezüge in der Popkultur
Zielsetzung:
Die Schüler:innen verstehen das Prinzip der Intertextualität in der Popkultur am Beispiel von Popmusikvideos und analysieren die damit transportierten Botschaften.
Inhalte und Methoden:
Das Arbeitsblatt nutzt ein ausgewähltes Musikvideo oder einen ausgewählten Song als konkreten Bezugspunkt, um die gezielte Verwendung berühmter Kunstwerke (Intertextualität) zu untersuchen. Die Methode umfasst eine schrittweise Analyse des Kunstwerks, die Erarbeitung des kunsthistorischen Hintergrunds und die vergleichende Interpretation der Vorlage mit dem modernen Musikvideo.
Kompetenzen:
- Analyse und Interpretation
- Kulturelles und historisches Wissen
- Transferleistung und Vergleich
Zielgruppe und Niveau:
ab Klasse 9
Hinweis: In diesem Arbeitsblatt ist das Video des thematisierten Songs nicht enthalten und muss selbstständig, z. B. bei YouTube, herausgesucht werden.
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Target group and level
ab Klasse 9
Subjects
Intertextualität - Kunstbezüge in der Popkultur


Einleitung
Popstars verstecken gerne geheime Botschaften in ihren Songs und Videos – oft nutzen sie dafür berühmte Kunstwerke! Sie zitieren diese Meisterwerke gezielt (Intertextualität), um ihren Storys mehr Tiefe oder einen Kontrast zu verleihen. Heute nehmen wir ein bestimmtes Beispiel unter die Lupe.
Definition Intertextualität: Wenn ein Autor / eine Autorin, Musiker/Musikerin oder Künstler/Künstlerin auf ein anderes Werk anspielt, es zitiert oder sich davon inspirieren lässt, entsteht Intertextualität. Der neue Text bekommt dadurch eine zusätzliche Bedeutungsebene, weil er im Zusammenhang mit dem älteren Werk verstanden werden kann.
Heute beschäftigen wir uns mit einem Werk von Taylor Swift – "The Fate of Ophelia". Seht euch gemeinsam mit der Klasse den Song im Original-Musikvideo an.

📝 Um welches kunsthistorische Werk könnte es sich handeln? Notiere deine Idee.
📌 Auf dieses Werk bezieht sich der Song. Beschreibe und analysiere das Werk mit Hilfe der Fragen.

Ophelia by Friedrich Wilhelm Theodor Heyser, housed in the Museum Wiesbaden, Wiesbaden
📌 Erfahre mehr über den Hintergrund des Werkes.
Das Original: Ophelia
Das Motiv der Ophelia, das in der Popkultur immer wieder aufgegriffen wird, ist tief in der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts verwurzelt. Die Figur stammt aus William Shakespeares Tragödie Hamlet: Ophelia wird in den Wahnsinn getrieben und ertrinkt, während sie Blumenkränze flicht. Historisch gesehen wird Ophelia oft als Opfer patriarchaler Strukturen interpretiert. Sie wird von den Männern in ihrem Leben kontrolliert und emotional manipuliert – man könnte aus heutiger Sicht sagen, sie wird „gegaslightet“, bis ihr die Realität entgleitet und sie in den Wahnsinn flieht. Für die Künstler:innen des 19. Jahrhunderts war sie das perfekte Sinnbild für tragische Weiblichkeit und die verlorene Unschuld. Die britische Präraffaelitische Bruderschaft, eine revolutionäre Gruppe von Künstler:innen, die die steifen Konventionen der akademischen Malerei ablehnten, machte dieses Motiv zu einer wahren Ikone der Romantik. Sie strebten nach einer fast hyperrealistischen Detailtreue und einer leuchtenden Farbigkeit, die sie in der Natur und in literarischen Stoffen fanden.
Das berühmteste und einflussreichste Beispiel ist das Gemälde „Ophelia“ (1851–1852) von Sir John Everett Millais, einem der Gründungsmitglieder dieser Bruderschaft. Das Werk ist ein Meisterstück der Pleinair-Malerei, einer Technik, bei der Künstler:innen unter freiem Himmel malen, um das natürliche Licht und die Atmosphäre authentisch einzufangen. Millais verbrachte monatelang am Ufer des Hogsmill River in Surrey, um die üppige, detailverliebte Flusslandschaft mit botanischer Präzision zu malen. Jede Blume, jedes Blatt ist nicht nur dekorativ, sondern trägt auch eine symbolische Bedeutung, die direkt aus Shakespeares Text entnommen ist. Erst nachdem die Naturkulisse vollendet war, fügte er die Figur der Ophelia im Atelier hinzu.
Hier beginnt die fesselnde und dunkle Anekdote, die das Werk untrennbar mit einer menschlichen Tragödie verbindet. Als Modell für die Figur diente Elizabeth Eleanor Siddal, eine Dichterin und Künstlerin, die zur zentralen Muse der Präraffaeliten avancierte. Für die Szene musste Siddal stundenlang vollständig bekleidet in einer mit Wasser gefüllten Badewanne in Millais’ Atelier posieren. Um das Wasser warm zu halten, wurden darunter Öllampen aufgestellt. Als diese eines Tages erloschen und Millais völlig in seine Arbeit vertieft war, bemerkte er es nicht. Siddal lag im eiskalten Wasser und erkrankte infolgedessen schwer an einer Lungenentzündung. Ihr Vater drohte Millais mit einer Klage und zwang ihn, die Arztrechnungen zu bezahlen. Diese Episode beleuchtet die oft rücksichtslose Ausbeutung der Modelle. Entscheidend ist jedoch: Siddal war mehr als nur eine Muse. Sie war selbst eine talentierte Malerin und Dichterin, deren Genie vom einflussreichen Kunstkritiker John Ruskin gefördert wurde. Dennoch wurde sie in der Geschichtsschreibung oft auf ihre Rolle als leidende Muse reduziert. Ihr Leben war von Krankheit und Depressionen geprägt, insbesondere nach einer Totgeburt. Elizabeth Siddal starb schließlich 1862 an einer Überdosis Laudanum, einem opiumhaltigen Medikament, was weithin als Suizid gedeutet wird. Die unheimliche Parallele zwischen der ertrinkenden Ophelia im Gemälde und dem tragischen Tod des Modells verleiht Millais' Werk einen tiefen, düsteren Nachhall.

Hinweis für die Lehrkraft
Falls deine Schüler:innen noch Übung bei der Analyse von Malereien benötigen, kannst du zusätzlich dieses Arbeitsblatt für deinen Unterricht nutzen:
📌 Sieh und höre dir nun erneut das Musikvideo an und beantworte anschließend die Fragen.

Hinweis für die Lehrkraft
Füge hier bei Bedarf einen Screenshot aus dem Musikvideo mit der passenden Szene zum Kunstwerk sowie den Songtext ein.